Carre, John le
den im Telefonbuch aufgeführten
Wassertaxis an, aber was dort vorhanden war, war entweder bereits weg oder zu
klein für die Fahrt. Dann fiel ihm Luigi Tan ein, der Makler für alles, der im
Auslandskorrespondenten-Club einen sagenhaften Ruf genoß: Luigi konnte alles
beschaffen, von einer koreanischen Tanzgruppe bis zum verbilligten Flugbillett,
und das schneller als irgendein anderer Makler in der Stadt. Sie fuhren mit einem
Taxi zur anderen Seite von Wanchai, wo Luigi hauste, dann gingen sie zu Fuß. Es
war acht Uhr morgens, aber der heiße Nebel hatte sich nicht verzogen. Die
unbeleuchteten Transparente hingen schlaff wie ermattete Liebespaare über den
schmalen Gassen: Happy Boy, Lucky Place, Americana. Der Duft aus übervollen
Lebensmittelläden mischte sich mit dem Gestank von Benzin und Ruß. Durch
schmale Mauerlücken erblickten sie manchmal einen Kanal. »Jeder kann Ihnen
sagen, wo ich zu finden bin«, rühmte sich Luigi Tan immer. »Fragen Sie nur nach
dem Großen mit dem einen Bein.«
Sie fanden
ihn hinter seinem Ladentisch. Luigi war gerade groß genug, um drüberwegzusehen,
ein winziger wendiger Halb-Portugiese, der sich früher seinen Lebensunterhalt
als Boxer in den schmuddeligen Jahrmarktbuden von Macao verdient hatte. Die
Ladenfront war sechs Fuß breit. Das Warenangebot reichte von neuen Motorrädern
zu Relikten aus der Kolonialzeit, die er als Antiquitäten bezeichnete:
vergilbte Lichtbilder von behüteten Damen in Schildpattrahmen, eine ramponierte
Schiffskiste, das Logbuch eines Opiumclippers. Luigi kannte Jerry bereits, aber
Lizzie gefiel ihm bedeutend besser, und er bestand darauf, daß sie voranging,
so daß er ihr Hinterteil bewundern konnte, als er seine Gäste unter einer Wäscheleine
hindurch zu einer Hütte im Hof führte. An der Tür klebte ein Schild mit der
Aufschrift »Privat«. Das Innere wies drei Stühle und ein Telefon auf dem
Fußboden auf. Luigi kauerte sich nieder, bis er wie eine Kugel aufgerollt war,
und sprach chinesisch ins Telefon und englisch Richtung Lizzie. Er sei
Großvater, sagte er, aber sehr viril, und habe vier Söhne, alle wohlgeraten.
Sogar der Sohn Nummer vier sei schon selbständig.
Alle gute
Fahrer, gute Arbeiter und gute Ehemänner. Außerdem, sagte er zu Lizzie, habe er
einen Mercedes, komplett mit Stereo. »Vielleicht nehme ich Sie einmal auf eine
Fahrt mit«, sagte er. Jerry überlegte, ob sie begriffen habe, daß er ihr die
Ehe anbot oder doch etwas kaum Geringeres. Und, ja, Luigi glaubte, er habe auch
ein Boot. Nach zwei Telefonanrufen wußte er, daß er ein Boot hatte, das er nur
an seine besten Freunde auslieh, zu einem rein symbolischen Preis. Er gab
Lizzie sein Täschchen mit Kreditkarten, damit sie nachzähle, wie viele Karten
darin seien, dann seine Brieftasche, damit sie die Familienfotos bewundern
konnte. Eines zeigte einen Hummer, den der Sohn Nummer vier kürzlich an seinem
Hochzeitstag gefangen hatte - der Sohn war allerdings nicht zu sehen.
»Po Toi
ganz schlecht«, sagte Luigi Tan, der noch immer am Telefon hing, zu Lizzie.
»Sehr schmutzig. Rauhe See, lausiges Fest, schlechtes Essen. Warum wollen Sie
dorthin?«
Wegen Tin
Hau natürlich, sagte Jerry geduldig an ihrer Stelle.
Wegen des
berühmten Tempels und wegen des Fests.
Luigi Tan
wandte sich auch weiterhin ausschließlich an Lizzie.
»Gehen Sie
nach Lantau«, riet er. »Lantau gute Insel. Nettes Essen, guten Fisch, nette
Leute. Ich sage Ihnen, Sie gehen nach Lantau, essen bei Charlie, Charlie mein
Freund.«
»Po Toi«,
sagte Jerry energisch.
»Po Toi
riesige Menge Geld.«
»Wir haben
eine riesige Menge Geld«, sagte Lizzie mit reizendem Lächeln, und Luigi Tan
blickte sie wiederum lange sinnend an und musterte sie von Kopf bis Fuß.
»Vielleicht
fahre ich mit Ihnen«, sagte er zu ihr.
»Nein«,
sagte Jerry.
Luigi fuhr
die beiden nach Causeway Bay und begleitete sie auf dem Sampan. Das Boot war
vierzehn Fuß lang, ein Motorboot, nichts Besonderes, aber Jerry hielt es für
tüchtig, und Luigi sagte, es habe einen tiefen Kiel. Ein Junge lungerte im Heck
und ließ einen Fuß ins Wasser baumeln.
»Mein
Neffe«, sagte Luigi stolz und zauste den Haarschopf des Jungen. »Er Mutter in
Lantau. Er bringt Sie nach Lantau, essen bei Charlie, machen schönen Tag. Sie
bezahlen später.«
»Alter
Junge«, sagte Jerry geduldig. »Altes Haus. Wir wollen nicht nach Lantau. Wir
wollen nach Po Toi-. Nur nach Po Toi. Po Toi oder gar nichts. Setzen Sie uns
dort ab, und fahren Sie
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