Carre, John le
stämmigen ex-marxistischen Dialektiker und zeitweiligen
Außenagenten, der die Einsätze dieses Netzes geleitet hatte. Diesem Bland, den
es beim Sündenfall ebenfalls erwischt hatte, vertraute er das russische Gespann
de Silsky und Kaspar an, die auch eingemottet, auch zwei ehemalige
Haydon-Proteges waren, damit sie zu dritt den Ankömmlingen Hilfestellung geben
könnten. Sie saßen noch in ihrem Transportflugzeug der Royal Air Force, als die
Meldung durchkam, daß das Paar beim Verlassen des Hafens erschossen worden sei.
Der Exfiltrationsauftrag sei danebengegangen, sagten die Vettern. In
aufrichtigem Mitgefühl telefonierte Martello Smiley die Nachricht persönlich
durch. Er war nach seiner eigenen Ansicht ein freundlicher Mensch und wie
Smiley ein Mann der alten Schule. Es war Nacht, und es regnete in Strömen.
»Nehmen
Sie's bloß nicht so schwer, George«, ermahnte er ihn in seinem onkelhaften
Tonfall. »Hören Sie? Die einen sind draußen, und die anderen sitzen am
Schreibtisch, und Sie und ich müssen dafür sorgen, daß die Unterscheidung
gewahrt bleibt. Sonst werden wir alle verrückt. Man kann sich nicht für jeden
einzelnen umbringen. Das ist Feldherrnlos. Also denken Sie daran.« Peter
Guillam, der, als der Anruf kam, dicht neben Smiley saß, schwor später, Smiley
habe keine besondere Reaktion gezeigt: und Guillam kannte ihn gut. Dennoch war
Smiley zehn Minuten später von allen unbemerkt verschwunden, und sein
geräumiger Regenmantel hing nicht mehr am Haken. Er kam nach Einbruch derDämmerung
zurück, naß bis auf die Haut, den Regenmantel trug er noch immer über dem Arm.
Er zog sich um und setzte sich wieder an den Schreibtisch, aber als Guillam auf
Zehenspitzen hereinkam und ihm unaufgefordert Tee brachte, sah er zu seiner
größten Verlegenheit seinen Herrn stocksteif vor einem alten Band deutscher
Lyrik sitzen, die geballten Fäuste auf der Tischplatte, und lautlos weinen.
Bland, de
Silsky und Kaspar bewarben sich um Wiedereinstellung. Sie beriefen sich darauf,
daß der kleine Toby Esterhase, der Ungar, habe zurückkommen dürfen, und
verlangten die gleiche Behandlung, aber vergebens. Sie wurden abschlägig
beschieden und nie wieder erwähnt. Unrecht zu Unrecht. Wenn sie auch leicht
lädiert waren, so hätten sie doch nützlich sein können, aber Smiley wollte ihre
Namen nicht mehr hören; nicht damals, nicht später, nie mehr. Das war der
absolute Tiefpunkt dieser Zeit unmittelbar nach dem Sündenfall. Ein paar Leute
- sowohl innerhalb wie außerhalb des Circus - glaubten aufrichtig, den letzten
Schlag des geheimen Herzens Englands gehört zu haben. Doch ein paar Tage nach dieser
Katastrophe bescherte das Glück Smiley einen kleinen Trost. In Warschau fing
ein flüchtiger Spitzenagent des Circus am hellichten Tag das BBC-Signal auf und
marschierte schnurstracks in die britische Botschaft. Dank vereinten und
beharrlichen Antichambrierens sowohl Lacons wie Smileys wurde er trotz
Martindales Widerstand noch in der gleichen Nacht, als diplomatischer Kurier
getarnt, nach London heimgeflogen. Da Smiley seiner Tarngeschichte mißtraute,
reichte er den Mann an die Inquisitoren des Circus weiter, die ihn, mangels
anderer Opfer, fast zu Tode brachten, ihn danach jedoch als sauber
bezeichneten. Er wurde in Australien aufs neue eingesetzt.
Anschließend
war Smiley, dessen Herrschaft noch immer im Anfangsstadium steckte, gezwungen,
sich die verbrannten Stützpunkte des Circus innerhalb des Landes vorzunehmen.
Am liebsten hätte er alles abgeschrieben: die sicheren Häuser, die jetzt total
unsicher waren; die Nursery in Sarratt, wo traditionsgemäß die Instruktion und
Ausbildung von Agenten und Neulingen stattfand; die Audio-Versuchslabors in
Harlow, die Bombenbastler- und Knallerschule in Argyll; die Matrosenschule in
der Bucht von Heiford, wo abgemusterte Seeleute die schwarzen Künste der
Kleinstfahrzeug-Schiffahrt zelebrierten wie das Ritual einer untergegangenen
Religion; und die Funkstelle für Fernverkehr in Canterbury. Er hätte sogar das
Hauptquartier der Stöpsler in Bath aufgelöst, wo nach wie vor die Codes
geknackt wurden. »Weg mit dem Ganzen«, sagte er zu Lacon, den er in seinem Büro
aufgesucht hatte.
»Und was
dann?« fragte Lacon, verwundert über Smileys Heftigkeit, die seit dem Sochi-Fehlschlag
an ihm auffiel.
»Neu
anfangen.«
»Verstehe«,
sagte Lacon, was natürlich bedeutete, daß er nicht verstand. Lacon hatte
Zahlenaufstellungen des Schatzamtes vor sich liegen und studierte
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