Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
Vom Netzwerk:
gemacht sei, würden sich die überraschendsten
Möglichkeiten eröffnen und der Circus wider alle äußere Wahrscheinlichkeit in
der Lage sein, zur Initiative überzugehen, oder, wie Smiley sich ausdrückte,
»zu agieren und nicht bloß zu reagieren«.
    Die
Prämisse besagte, um Connie Sachs' launige Beschreibung aufzugreifen, »nach
einem zweiten verdammten Tut-ench-Amun zu buddeln, während George Smiley die
Laterne hält und wir armen Hunde das Graben besorgen«.
    Zu jener
Zeit war von Jerry Westerby natürlich nicht einmal andeutungsweise die Rede.
    Anderntags
zogen sie in die Schlacht, Connie in die eine Ecke, der griesgrämige di Salis
in die andere. Wie di Salis in näselndem, mißbilligendem Tonfall, der grimmige
Entschlossenheit ausdrückte, sagte: »Wenigstens wissen wir endlich, warum wir
hier sind.« Ihr Anhang aus bläßlichen Wühlmäusen zerlegte das Archiv in zwei
Teile. An Connie und »meine Bolschies«, wie sie sagte, fielen Rußland und die
Satellitenstaaten. An di Salis und seine »gelben Gefahren« China und die Dritte
Welt. Was dazwischenlag - zum Beispiel Quellenberichte über die theoretischen
Verbündeten der Nation - wurde einem besonderen Aufbewahrungs-Fach zu späterer
Auswertung anvertraut. Sie arbeiteten, wie Smiley selber, zu den unmöglichsten
Stunden. Die Kantine beklagte sich, die Portiers drohten mit dem Ausstand, aber
nach und nach wurden sogar die dienstbaren Geister von der Energie der
Wühlmäuse angesteckt, und sie schwiegen. Spielerische Rivalität machte sich
breit. Unter Connies Einfluß lernte das junge Volk aus der Recherchenabteilung,
das man bislang kaum jemals hatte lächeln sehen, sich plötzlich gegenseitig in
der Sprache ihrer großen Bekannten außerhalb des Circus aufzuziehen.
Zaristisch imperialistische Opportunisten tranken mit aufspalterisch-abweichlerisch-stalinistischen
Chauvinisten schalen Kaffee und waren stolz darauf. Die erstaunlichste
Veränderung vollzog sich eindeutig mit di Salis, der sein nächtliches Mühen
durch kurze, aber energische Zwischenspiele am Ping-Pong-Tisch unterbrach, wo
er jeden Hinzukommenden zu einem Match aufforderte und herumsprang wie ein
Schmetterlingssammler auf der Jagd nach einem seltenen Exemplar. Bald zeigten
sich die ersten Früchte und gaben ihnen neuen Schwung. Innerhalb eines Monats
waren drei Berichte bangen Herzens und unter äußerst beschränktem Zugang
verteilt worden und hatten sogar vor den skeptischen Vettern Gnade gefunden.
Einen Monat später erntete eine zusammenfassende Broschüre, umschweifig
betitelt Zwischenbericht über Informationslücken im sowjetischen
Geheimdienst betreffs See-Luft-Kapazität der Nato, widerwilligen
Beifall seitens Martellos Stammhaus in Langley, Virginia, und einen
begeisterten Anruf von Martello persönlich. »George, ich hab's den Burschen ja gesagt, schrie er
so laut, daß das Telefon der reine Luxus zu sein schien. »Ich hab's ihnen
gesagt: >Der Circus wird liefern.< Und haben sie mir geglaubt? Den Teufel
haben sie!«
    Inzwischen
unternahm Smiley, manchmal in Begleitung Guillams, manchmal mit dem
schweigenden Fawn als Babysitter, seine eigenen dunklen Streifzüge und
marschierte, bis er halbtot war vor Müdigkeit. Der Mühe Lohn blieb aus, aber er
marschierte weiter. Bei Tag und oft auch bei Nacht klapperte er die nähere und
fernere Umgebung ab, befragte ehemalige Angestellte des Circus und
abgehalfterte Agenten. Als er in Chiswick demütig in einer Agentur für
Discount-Reisen hockte und murmelnd mit einem ehemaligen polnischen
Kavallerieobersten sprach, der hier als Angestellter eingesetzt war, glaubte
er, einen flüchtigen Schimmer erhascht zu haben; doch gleich einer Fata
Morgana schwand das Bild, als er sich ihm näherte. In einem Gebrauchtladen für
Radios in Sevenoaks weckte ein Sudetentscheche die gleiche Hoffnung in ihm,
aber als er und Guillam zurückeilten, um die Geschichte anhand der
Circus-Unterlagen nachzuprüfen, stellte sich heraus, daß die Akteure tot waren
und ihm niemand mehr weiterhelfen konnte. In einem Privatgestüt in Newmarket
mußte er sich, zu Fawns um ein Haar handgreiflichem Zorn, von einem
tweedbedeckten und eigenbildeten Schotten, einem Protege von Smileys Vorgänger
Alleline, beleidigen lassen, alles in dieser gleichen ungreifbaren Sache. In
seinem Büro ließ er sich die Akten bringen, und stellte fest, daß der schwache
Lichtschein wiederum erlosch.
    Denn dies
war die letzte und unausgesprochene jener Prämissen, die Smiley in der
Rumpelkammer

Weitere Kostenlose Bücher