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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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sie, während
er sprach. »Die Nursery in Sarratt wird aus irgendeinem mir nicht zugänglichen
Grund im Militärhaushalt geführt«, bemerkte er nachdenklich. »Nicht etwa in
Ihrem Reptilienfonds. Das Foreign Office kommt für Harlow auf - und hat das
bestimmt längst vergessen -, Argyll ist unter den Fittichen des
Verteidigungsministeriums, das höchstwahrscheinlich nicht von der Existenz
dieser Einrichtung weiß, das Postministerium hat Canterbury, und die Navy hat
Heiford. Bath wird, wie ich mich freue sagen zu können, gleichfalls aus Geldern
des Foreign Office unterhalten, laut eigenhändiger Unterschrift von Martindale,
es kam vor sechs Jahren dazu und ist inzwischen auch in Vergessenheit geraten.
Also tut uns das alles nicht weh, oder?«
    »Es sind
nutzlose Anhängsel«, sagte Smiley eigensinnig. »Und solange diese Einrichtungen
bestehen, können wir sie nicht durch neue ersetzen. Sarratt ist schon lange zum
Teufel, Heiford liegt in den letzten Zügen, Argyll ist nur noch ein Witz. Und was
die Stöpsler angeht, so haben sie die letzten fünf Jahre praktisch hauptamtlich
für Karla gearbeitet.«
    »Mit Karla
meinen Sie die Moskauer Zentrale?«
    »Ich meine
die Abteilung, die zuständig war für Haydon und ein halbes Dutzend -«
    »Ich weiß,
was Sie meinen. Aber ich finde es sicherer, wenn wir bei den Einrichtungen
bleiben, Sie nicht auch? Dadurch ersparen wir uns die Peinlichkeit, Namen zu
nennen. Dazu sind Einrichtungen schließlich da, wie?« Lacon stieß das
Bleistiftende rhythmisch auf den Schreibtisch. Endlich blickte er auf und sah
Smiley neckisch an. »Schön, schön, Sie sind im Moment der große Neuerer,
George. Ich darf gar nicht daran denken, was passierte, wenn Sie jemals die
Säge an meinen Ast ansetzen würden. Diese
Außenstellen sind mündelsichere Aktien. Wenn Sie sich jetzt davon trennen,
sehen Sie keine einzige mehr wieder. Später, wenn alles wieder läuft, können
Sie sie abstoßen und sich etwas Besseres kaufen. Man soll nie verkaufen, wenn
die Börse schlecht steht. Man wartet, bis man Gewinn mitnehmen kann.«
Widerstrebend fügte Smiley sich seinem Rat. Als wären's der Schwierigkeiten
noch nicht genug, kam der schwarze Montag, an dem eine Rechnungsprüfung im
Schatzamt auf erhebliche Diskrepanzen in der Verwaltung des Reptilienfonds des
Circus während der fünf Jahre stieß, ehe der Fonds nach dem Sündenfall
eingefroren wurde. Smiley war gezwungen, ein Femegericht abzuhalten, bei dem
ein älterer Buchhalter der Finanzabteilung, den man aus dem Ruhestand
aufgescheucht hatte, zusammenbrach und eine schändliche Leidenschaft für ein
Mädchen aus der Registratur gestand, das ihn an der Nase herumgeführt hatte. In
einem grausigen Anfall von Reue ging der alte Mann heim und erhängte sich.
Gegen Guillams dringendes Zureden ließ Smiley es sich nicht nehmen, der Bestattung
beizuwohnen.
    Dennoch
ist es verbürgte Tatsache, daß George Smiley bereits in der Zeit dieser
betrüblichen Anfänge, in seinen allerersten Wochen im Amt zum Angriff überging.
    Die Basis,
von der aus dieser Angriff geführt wurde, war zuvörderst philosophischer, zum
zweiten theoretischer und erst in letzter Linie und dank dem dramatischen
Auftreten des unschlagbaren Glücksspielers Sam Collins menschlicher Natur. Die
Philosophie war einfach. Die Aufgabe eines Geheimdienstes, verkündete Smiley
energisch, bestehe nicht darin, Haschen zu spielen, sondern seinen Kunden
geheime Informationen zu liefern. Versäumte er diese Aufgabe, so würden sich
seine Kunden an andere, weniger korrekte Verkäufer wenden oder, was noch
schlimmer sei, zu amateurhafter Selbsthilfe greifen. Und der Geheimdienst würde
an Schwindsucht eingehen. Nicht auf den Whitehall-Märkten vertreten sein hieß
nicht gefragt sein, fuhr er fort. Schlimmer: wenn der Circus nichts
produzierte, würde er auch keine Waren für den Tauschhandel mit den Vettern
oder anderen Schwesterorganisationen in der Hand haben, mit denen von alters
her solche Geschäfte getätigt wurden. Wer nicht produzierte, konnte nicht
handeln, und wer nicht handeln konnte, war tot.
    Amen,
sagten sie.
    Seine
Theorie - er nannte sie seine Prämisse - über die
Produktion von Geheimnachrichten ohne Nachrichtenquellen war Gegenstand einer
zwanglosen Zusammenkunft in der Rumpelkammer, keine zwei Monate nach seinem
Amtsantritt, zwischen ihm und dem winzigen inneren Kreis, der bis zu einem
gewissen Punkt sein Vertrauen genoß. Insgesamt waren sie fünf: Smiley selbst,
Peter Guillam, sein

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