Carre, John le
Sonne
wieder, und über ihnen tat sich der blaue Himmel auf. Unter Lizzies Führung kletterten
sie eilig über mehrere Vorgipfel hinweg bis zum Sattel. Die Geräusche aus der
Bucht waren verstummt, nur kreisende Möwen erfüllten die kälter gewordene Luft
mit ihrem Geschrei. Sie hatten den Kamm erreicht, der Weg wurde breiter, sie
gingen nebeneinander. Noch ein paar Schritte, und der Wind stürzte sich mit
einer Macht auf sie, daß sie atemlos zurücktaumelten. Sie standen an der
Felsenkante und blickten hinunter in einen Abgrund. Direkt zu ihren Füßen fiel
die Klippe senkrecht in die See ab, das Kap verschwand unter der schäumenden
Brandung. Wolkenkissen zogen von Osten heran, und hinter ihnen war der Himmel
schwarz. Etwa zweihundert Meter weiter unten lag eine kleine Bucht, die von den
Brechern nicht überspült wurde. Fünfzig Yards davon entfernt brach ein Gewirr
brauner, von weißen Schaumringen umzogener Felsen den Anprall der Wogen. »Ist
es dort?« schrie er durch den Wind. »Ist er dort gelandet? An diesem
Küstenstück?«
»Ja.«
»Und das
hat er abgeleuchtet?«
»Ja.«
Er ließ
sie stehen, wo sie stand, und kroch langsam, fast bis zum Boden gebückt die
Felskante entlang, während der Wind ihm um die Ohren pfiff und sein Gesicht mit
klebrigem Salzbeschlag überzog, und sein Magen schmerzte wie wahnsinnig, er
vermutete einen Darmriß oder eine innere Blutung oder beides. An der
eingezogensten Stelle, ehe die Klippe sich wieder scharf meerwärts wandte,
blickte er nochmals hinunter, und jetzt glaubte er, einen schmalen Pfad
ausmachen zu können, der stellenweise nur ein Felseneinschnitt war oder eine
Grasfurche, und sich mühsam bis zur Bucht hinunterschlängelte. In der Bucht lag
kein Sand, aber einige der Felsen sahen trocken aus. Jerry kehrte zu Lizzie
zurück und führte sie von der Felskante weg. Der Wind legte sich. Sie hörten
den Festlärm jetzt wieder viel lauter als vorher. Das Krachen von
Feuerwerkskörpern veranstaltete einen Spielzeugkrieg.
»Es ist
sein Bruder Nelson«, erklärte er. »Für den Fall, daß du es noch nicht erraten
hast: Ko holt ihn aus China heraus. Heute ist die entscheidende Nacht.
Schwierig, denn er ist eine sehr gesuchte Persönlichkeit. Eine Menge Leute
würden gern ein Schwätzchen mit ihm halten. Hier kam Mellon ins Spiel.« Er
holte tief Atem. »Meiner Meinung nach solltest du zusehen, daß du hier
schleunigst wegkommst. Was meinst du dazu? Drake möchte dich jedenfalls nicht
in der Nähe haben, soviel steht fest.«
»Möchte er
dich in der Nähe haben?« fragte sie. »Ich glaube, das beste für dich wäre, wenn
du schleunigst zurück zum Hafen gingest«, sagte er. »Hörst du mir zu?«
»Natürlich«,
brachte sie hervor.
»Du suchst
dir eine nette, freundlich wirkende europäische Familie. Wirf dein Auge
ausnahmsweise nicht auf den Pappi, sondern auf die Frau. Sag ihr, du hättest
dich mit deinem Freund verkracht, und ob sie dich in ihrem Boot mit
zurücknehmen könnten. Wenn sie einverstanden sind, dann übernachte bei ihnen,
andernfalls gehst du in ein Hotel. Tische ihnen eine von deinen Geschichten
auf. Herrgott, das ist doch
keine Kunst, oder?«
Ein
Polizeihubschrauber knatterte in einer langen Kurve über sie hinweg,
vermutlich, um das Fest zu beobachten. Instinktiv faßte Jerry nach Lizzies
Schulter und zog sie unter die Felsen. »Erinnerst du dich noch an das zweite
Lokal, in das wir damals gingen, das mit der Big Band? Die Bar?« Er hielt sie
noch immer fest.
Sie sagte:
»Ja.«
»Ich hole
dich morgen abend dort ab.«
»Ich weiß
nicht«, flüsterte sie.
»Sei auf
jeden Fall um sieben dort. Um sieben, verstanden?« Sie schob ihn sanft von sich
weg, als wollte sie unbedingt allein sein.
»Sag ihm,
ich habe mein Wort gehalten«, sagte sie. »Das ist ihm das Wichtigste. Ich habe
den Vertrag erfüllt. Wenn du ihn siehst, dann sag ihm, >Liese hat ihr Wort
gehalten.««
»Klar.«
»Nicht klar, ja. Sag es ihm. Er hat alles getan, was er versprochen
hat. Er hat gesagt, er sorgt für mich. Und das hat er getan. Er hat gesagt, er
läßt Ric laufen. Auch das hat er getan. Er hat immer sein Wort gehalten.«
Er hob
ihren Kopf, faßte ihn mit beiden Händen, aber sie ließ sich nicht beirren.
»Und sag
ihm, und sag ihm - sag ihm, sie ließen mir keine Wahl.
Sie haben
mich in die Enge getrieben.«
»Sei um
sieben Uhr dort«, sagte er. »Und warte, auch wenn ich mich ein bißchen
verspäten sollte. Also, los jetzt, so schwierig ist es doch gar nicht, wie?
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