Carre, John le
Größe nicht auffiel. Der Steig war schlammig
und voller Pfützen. Alsbald führte der Tanz sie am Tempel vorüber, dann über
Betonstufen zum Sandstrand hinab, wo die Spanferkel gebraten wurden. »Wohin
jetzt?« fragte er sie.
Sie führte
ihn rasch nach links, weg von den Tanzenden, hinter einem elenden Dorf vorbei
und über eine Holzbrücke, die eine kleine Meerzunge überspannte. Unter Lizzies
Führung kletterten sie am Saum eines Zypressenwäldchens entlang, bis sie wieder
allein waren. Sie standen nun hoch über der hufeisenförmigen Bucht und blickten
hinab auf Kos »Admiral Nelson«, die genau in der Mitte thronte wie eine große
Dame, umgeben von Hunderten von Vergnügungsbooten und Dschunken. An Deck war
niemand zu sehen, auch kein Mitglied der Besatzung. Ein Rudel grauer
Polizeiboote, fünf oder sechs, ankerte weiter draußen auf dem Meer.
Warum auch
nicht, dachte Jerry, schließlich findet hier ein Volksfest statt.
Sie hatte
seine Hand losgelassen, und als er sich zu ihr umwandte, starrte sie noch immer
hinunter auf Kos Jacht, und er sah den Schatten der Ratlosigkeit auf ihrem
Gesicht. »Ist das wirklich der Weg, über den er dich hinaufgeführt hat?« fragte
er.
Es sei der
gleiche Weg, sagte sie, wandte sich wieder ihm zu, sah ihn an, besiegelte oder
wägte irgend etwas in ihren Gedanken. Dann zeichnete sie mit dem Zeigefinger
ernst seine Lippen nach, in der Mitte, wo sie ihn geküßt hatte. »Mein-Gott«,
sagte sie und schüttelte mit dem gleichen Ernst den Kopf. Sie setzten ihren
Aufstieg fort. Jerry blickte hoch und sah den braunen Gipfel der Insel
täuschend nah und an den Hängen terrassenförmig angelegte, verkommene
Reisfelder. Sie erreichten ein kleines Dorf, das nur noch von mißtrauischen
Hunden bewohnt wurde, dann geriet die Bucht außer Sicht. Das Schulhaus war
offen und leer. Durch die Tür sahen sie Wandbilder von kämpfenden
Jagdflugzeugen. Auf der Schwelle standen Waschkrüge. Lizzie schöpfte mit den
hohlen Händen und wusch sich das Gesicht. Die Hütten waren mit Draht und
Ziegelsteinen gegen die Taifune verankert. Der Pfad wurde sandig, das Gehen
mühsamer. »Immer noch richtig?« fragte er.
»Einfach
rauf«, sagte sie, als sei sie es leid, immer wieder das gleiche zu sagen.
»Einfach rauf, und dann
kommt das Haus und basta.
Herrgott, wofür hältst du mich denn? Für einen kompletten Idioten?«
»Ich habe
kein Wort gesagt«, sagte Jerry. Er legte den Arm um sie, und sie schmiegte sich
hinein, hingegeben, wie damals in der Tanzbar in Hongkong.
Drunten
beim Tempel brüllte die Musik auf, als jemand die Lautsprecher ausprobierte,
danach kam das Wimmern einer langsamen Melodie. Die Bucht war wieder in Sicht.
Am Ufer hatte sich eine Menschenmenge angesammelt. Jerry sah noch mehr
Rauchschwaden aufsteigen, und in der windstillen Hitze auf dieser Seite der
Insel erhaschte er den Duft von Räucherwerk. Das Wasser war blau und klar und
ruhig. Ringsum brannten an Pfählen weiße Lichter. Kos Jacht hatte sich nicht
von der Stelle gerührt, die Polizeiboote auch nicht. »Siehst du ihn?« fragte
er.
Sie
blickte angestrengt in die Menge. Sie schüttelte den Kopf. »Macht wahrscheinlich
ein Mittagsschläfchen«, sagte sie leichthin.
Die
Sonnenglut war höllisch. Als sie in die Schattenzone kamen, war es, als sei
plötzlich die Dämmerung eingefallen, und als sie wieder ins Sonnenlicht traten,
schlug es ihnen wie Flammenhitze ins Gesicht. Die Luft war erfüllt von
Libellen. Der Abhang war mit großen Felsbrocken bestreut, aber dort, wo Büsche
wuchsen, rankten und wucherten sie überall und trieben üppige Blütentrichter,
rote und weiße und gelbe. Leere Konservendosen von Picknicks lagen in Mengen
herum. »Und das ist das Haus, von dem du gesprochen hast?«
»Hab' ich
dir doch gesagt«, sagte sie.
Es war
eine Ruine: eine verfallene, braune Stuckvilla mit klaffenden Mauern, aber
einer hinreißenden Aussicht. Sie stand stolz über einem ausgetrockneten
Flußbett und wurde durch einen Betonsteg mit dem Weg verbunden. Der Schlamm
stank und summte von Insekten. Zwischen Palmen und Farnkraut boten die
Überreste einer Veranda einen weiten Blick über das Meer und die Bucht. Als sie
über den Steg schritten, nahm er ihren Arm. »Also, dann wollen wir mal«, sagte
er. »Kein Verhör. Du erzählst einfach.«
»Wir
gingen hier herauf, wie ich schon gesagt habe. Ich, Drake und der verdammte
Tiu. Die Boys trugen einen Korb und die Getränke. Ich sagte: >Wohin gehen
wir?<, und er sagte >Picknick<.
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