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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Man
muß nicht studiert haben, damit man das hinkriegt.« Er redete ihr gut zu,
kämpfte um ein Lächeln, sehnte sich nach einem letzten Zeichen des
Zusammengehörens, ehe sie sich trennten. Sie nickte.
    Sie wollte
etwas sagen, aber es ging nicht. Sie machte ein paar Schritte, drehte sich um
und blickte zu ihm zurück, und er winkte - ein ausholendes Armschwenken. Sie
tat nochmals ein paar Schritte und ging dann weiter, bis sie unter dem
Hügelrand verschwunden war, aber er hörte sie rufen: »Also, um sieben«, oder
glaubte wenigstens, sie zu hören. Nachdem sie außer Sicht war, kehrte Jerry zur
Felskante zurück, wo er sich hinsetzte, um vor seiner Tarzannummer ein bißchen
zu verschnaufen. Ein paar Zeilen von John Donne fielen ihm ein, sie gehörten zu
dem Wenigen, was von der Schule an ihm haften geblieben war, obwohl er Zitate
nie so ganz wortgetreu wiedergeben konnte oder jedenfalls glaubte, er könne es
nicht: Auf einem hohen Berg, zerklüftet und
steil, steht die Wahrheit, und wer Zu ihr will, muß dort hinauf, der muß dort
hinauf. Oder so ähnlich. Eine Stunde, zwei Stunden lang lag er in
tiefem Nachdenken im Windschatten des Felsens und sah zu, wie der Tag draußen
über den chinesischen Inseln verdämmerte. Dann zog er seine Wildlederstiefel
aus und fädelte die Schnürsenkel zu einem Fischgrätmuster, wie er es bei seinen
Krickettstiefeln gemacht hatte. Dann zog er sie wieder an und schnürte sie so
fest es ging. Es könnte wieder die Toskana sein, dachte er, mit den fünf
Hügeln, auf die er vom Hornissenfeld aus gestarrt hatte. Nur daß er diesmal
nicht vorhatte, irgend jemanden im Stich zu lassen. Nicht das Mädchen. Nicht
Luke. Nicht einmal sich selber. Auch wenn es eine Menge Anstrengung kosten
würde.
    »Navy Int.
meldet, Dschunkenflotte macht ungefähr sechs Knoten und hält den Kurs«,
verkündete Murphy. »Verließ die Fischgründe punkt elf Uhr, als hielte sie sich
genau an unseren Plan.«
    Er hatte
irgendwo eine Handvoll Spielzeugboote aus Bakelit aufgetrieben, die er auf der
Wandkarte befestigen konnte. Er stand davor und wies stolz auf die Säule, die
der Insel Po Toi zustrebte, Murphy war zurückgekommen, sein Kollege war bei Sam
Collin und Fawn geblieben, also waren sie vier.
    »Und
Rockhurst hat das Mädchen gefunden«, sagte Guillam ruhig und legte den Hörer
des anderen Telefons auf. Seine Schulter schmerzte jetzt heftig, und er war
sehr blaß. »Wo?« fragte Smiley.
    Murphy,
der noch immer vor der Karte stand, drehte sich um. Martello, der am
Schreibtisch saß und ein Logbuch über die Ereignisse führte, legte die Feder
weg.
    »Hat sie
im Hafen von Aberdeen geschnappt, als sie an Land ging«, fuhr Guillam fort.
»Sie hatte sich von Po Toi von einem Angestellten der Hong Kong and Shanghai
Bank und dessen Frau mitnehmen lassen.«
    »Also was
geht vor?« fragte Martello, ehe Smiley sprechen konnte. »Wo ist Westerby?«
    »Sie weiß
es nicht«, sagte Guillam. »Na, aber!« protestierte Martello.
    »Sie sagt,
sie hatten Krach und fuhren in verschiedenen Booten zurück. Rockhurst sagt, man
soll sie ihm einfach noch eine Stunde lang überlassen.«
    Smiley
sprach. »Und Ko?« fragte er. »Wo ist er?«
    »Seine Jacht
liegt nach wie vor im Hafen von Po Toi«, erwiderte Guillam. »Die meisten
anderen Boote sind bereits abgefahren. Aber Kos Schiff liegt noch an der
gleichen Stelle wie heute vormittag. Rührt sich nicht vom Fleck, sagte
Rockhurst, und alle Mann unter Deck.«
    Smiley
linste hinüber zur Seekarte, dann zu Guillam, dann auf die Karte von Po Toi.
    »Wenn sie
Westerby erzählt hat, was sie Collins erzählte«, sagte er, »dann ist er auf der
Insel geblieben.«
    »Und mit
welcher Absicht?« fragte Martello sehr laut. »George, zu welchem Zweck bleibt dieser Mann auf dieser Insel?«
    Alle
hatten den Eindruck, als verginge ein Jahrhundert.
    »Er
wartet«, sagte Smiley.
    »Und worauf, wenn ich fragen darf?« bohrte Martello im gleichen
hartnäckigen Ton weiter.
    Niemand
sah Smileys Gesicht. Es lag im Schatten. Sie sahen seine Schultern einsinken,
sie sahen seine Hand zur Brille tasten, als wolle er sie abnehmen, sahen sie
leer, wie besiegt, wieder auf den Rosenholztisch fallen.
    »Was immer
wir tun, wir müssen Nelson landen lassen«, sagte er. »Und was immer tun wir?« fragte Martello, stand auf und kam um den Tisch
herum. »Westerby ist nicht hier, George. Er
hat die Kolonie nie betreten. Er kann sie auf dem gleichen verdammten Weg
verlassen!«
    »Bitte,
schreien Sie mich nicht an«,

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