Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
Vom Netzwerk:
Tiu wollte mich nicht dabeihaben, aber
Drake sagte, ich könne mitkommen. >Du haßt doch das
Zufußgehen<, sagte ich. >Ich habe noch nie gesehen, daß du auch nur die
Straße überquert hättest !< >Heute gehen wir zu Fuß<, sagte er und
macht wieder einmal auf Industriekapitän. Also trotte ich mit und halte den
Mund.« Eine dicke Wolke verdunkelte bereits den Gipfel über ihnen und rollte
langsam bergab. Die Sonne war verschwunden. Im Handumdrehen hatte die Wolke
sie erreicht, und sie waren allein am Ende der Welt und sahen nicht einmal bis
zu ihren eigenen Füßen. Sie tasteten sich ins Haus. Lizzie setzte sich ein
Stück von ihm entfernt auf einen herabgefallenen Dachbalken. Chinesische
Sprichwörter waren mit roter Farbe an den Türpfosten aufgemalt. Auf dem
Fußboden lagen überall Picknickabfälle und längliche Knäuel Verpackungspapier
herum.
    »Er sagt
zu den Boys, sie sollen abschwirren, also schwirren sie ab. Er und Tiu führen
ein langes ernstes Gespräch über das Thema der Woche, und mitten im Lunch fängt
er an, englisch zu sprechen und sagt zu mir, Po Toi sei seine Insel. Hier sei
er zum erstenmal gelandet, nachdem er China verlassen hatte. Die Bootsleute
setzten ihn hier ab. >Meine Leute<, nennt er sie. Deshalb kommt er jedes
Jahr zum Volksfest her und stiftet Geld für den Tempel, und deshalb mußten wir
uns den verdammten Berg raufschinden zum Picknick. Dann sprechen sie wieder
chinesisch, und ich habe der Eindruck, Tiu macht ihm Vorwürfe, weil er zu viel
redet, aber Drake ist ganz aus dem Häuschen, aufgeregt wie ein kleiner Junge
und will nicht hören. Dann steigen sie weiter hinauf.«
    » Hinauf?«
    »Hinauf
zum Gipfel. >Die alten Wege sind die besten<, sagt er zu mir. >Wir
sollten uns an das Bewährte halten<. Dann sein Baptistenmasche: >Halte am
Guten fest, Liese. Das ist Gott gefällig.«
    Jerry
blickte hinauf in die Nebelbank über ihnen, und er hätte schwören können, das
Knattern eines kleinen Flugzeugs zu hören, aber in diesem Augenblick war es ihm
ziemlich egal, ob es so war oder nicht, denn er hatte die beiden Dinge, die ihm
am Nötigsten waren. Er hatte das Mädchen bei sich, und er hatte die Information:
Denn jetzt verstand er endlich genau, was das Mädchen Smiley und Sam Collins
wert gewesen war und daß sie ihnen unwissentlich den Schlüssel zu Kos Absichten
verraten hatte.
    »Sie
gingen also weiter zum Gipfel. Bist du mit ihnen gegangen?«
    »Nein.«
    »Hast du
gesehen, wohin sie gingen?«
    »Zum
Gipfel. Sagte ich schon.«
    »Und was
taten die beiden auf dem Gipfel?«
    »Dann
schauten sie auf der anderen Seite hinunter. Redeten.
    Deuteten.
Redeten und deuteten wieder, und dann kommen sie wieder runter, und Drake ist
noch viel aufgeregter, so, wie wenn er einen großen Coup gelandet hat und Erste
Gattin ist nicht da, um ihm die Freude zu vermasseln. Tiu schaut finster drein,
wie immer, wenn Drake zeigt, daß er mich gern mag. Drake will, daß wir noch
bleiben und ein paar Cognacs trinken, also kehrt Tiu ärgerlich, nach Hongkong
zurück. Drake wird zärtlich und beschließt, daß wir auf dem Schiff übernachten
und am anderen Morgen zurückfahren, und das tun wir auch.« v »Wo hat
das Boot geankert? Hier? In der Bucht?«
    »Nein.«
    »Wo?«
    »Vor
Lantau.«
    »Ihr seid
auf dem kürzesten Weg dorthin, wie?« Sie schüttelte den Kopf. »Wir machten die
Runde um die Insel.«
    »Diese
Insel?«
    »Es gab da
eine Stelle, die er sich im Dunkeln ansehen wollte. Einen Küstenstreifen auf
der anderen Seite. Die'Boys mußte ihn mit Laternen ableuchten. >Dort landete
ich im Jahr einundfünfzig<, sagte er. >Die Bootsleute fürchteten sich, in
den Haupthafen einzulaufen. Sie fürchteten sich vor der Polizei und vor den
Geistern und den Piraten und den Zöllnern. Sie sagen, die Inselbewohner würden
ihnen die Hälse abschneiden.<«
    »Und in
der Nacht?« sagte Jerry leise. »Als ihr vor Lantau geankert habt?«
    »Da
erzählte er mir, er habe einen Bruder, den er sehr liebe.«
    »Hat er
dir das zum erstenmal erzählt?« Sie nickte.
    »Und hat
er auch gesagt, wo dieser Bruder jetzt ist?«
    »Nein.«
    »Aber du
hast es gewußt?« Diesmal nickte sie nicht einmal.
    Von
drunten drang der Festlärm in Fetzen durch die Wolke herauf. Jerry zog Lizzie
behutsam auf die Füße. »Verdammte Fragerei«, murmelte sie.
    »Es ist
fast vorüber«, versprach er. Er küßte sie, und sie ließ es zu, reagierte aber
nicht.
    »Wir
wollen raufgehen und uns umsehen«, sagte er. Nach zehn Minuten schien die

Weitere Kostenlose Bücher