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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Außenagent zuerst seine eigene Haut rettet. Oder es war genau
umgekehrt: Sam hatte seine Nachforschungen ein wenig weiter ausgedehnt als die
Hauptstelle genehmigte. Unter Druck war er lieber zu den Hausierern gegangen,
als Fehlanzeige einzureichen. Er hatte ein wenig mit den Vettern am Ort
gemauschelt. Oder die örtlichen Sicherheitskräfte, die Engel, wie sie im
Sarratt-Jargon hießen, hatten ihm die Daumenschrauben angelegt, und er hatte
die Geschichte nach beiden Seiten ausgespielt, um zu überleben und zu lächeln und
seine Pension vom Circus zu behalten. Smiley wußte, wenn er Sams Bewegungen
richtig deuten wollte, so mußte er diesen und zahlreichen anderen Möglichkeiten
wache Aufmerksamkeit schenken. Ein Schreibtisch ist ein gefährlicher Ausguck.
    Also
gingen sie es durch, wie Smiley vorgeschlagen hatte. Londons Ansuchen um
Nachforschungen vor Ort, sagte Sam, erreichte ihn in der normalen Form, ganz
wie Smiley es beschrieb. Es wurde ihm vom alten Mac vorgelegt, der bis zu
seiner Versetzung nach Paris Verbindungsmann des Circus in der Botschaft von
Vientiane war. Eine Abendsitzung in ihrem sicheren Haus. Eine Routinesache,
obwohl der Zusammenhang mit den Russen sofort augenfällig war, und Sam
erinnerte sich sogar, daß er schon damals zu Mac gesagt habe: »London muß glauben,
es handle sich um Geld aus dem Reptilienfonds der Moskauer Zentrale«, denn er
hatte die Tarnbezeichnung der Sowjetabteilung des Circus bei der Absenderangabe
des Telegramms erspäht. (Smiley notierte, daß Mac keine Veranlassung hatte,
Sam das Telegramm zu zeigen.) Sam erinnerte sich auch an Macs Antwort auf seine
Bemerkung: »Sie hätten die alte Connie Sachs nie und nimmer absägen dürfen«,
hatte er gesagt. Sam stimmte ihm aus vollem Herzen zu. Zufällig, sagte Sam, sei
das Ansuchen unschwer zu erfüllen gewesen. Sam hatte bereits einen Kontakt in
der Indochine, einen guten, nennen wir ihn
Johnny. »Aktenkundig, Sam?« fragte Smiley höflich. Sam vermied es, die Frage
direkt zu beantworten, und Smiley respektierte seine Hemmung. Der Außenagent,
der alle seine Kontakte bei seiner Dienststelle aktenkundig macht oder sie auch
nur auf Sicherheit überprüft, ist noch nicht geboren. So wie Zauberkünstler
ihre Geheimnisse hüten, so sind Außenagenten, wenn auch aus anderen Gründen,
von Haus aus verschwiegen, was ihre Quellen betrifft.
    Johnny sei
zuverlässig, sagte Sam mit Wärme. Er habe bei verschiedenen Waffen- und
Rauschgiftgeschäften ausgezeichnete Arbeit geleistet und überhaupt, Sam würde
für ihn die Hand ins Feuer legen.
    »Ach, mit
solchen Sachen beschäftigten Sie sich auch, Sam?« fragte Smiley respektvoll.
    Sam hatte
also für das dortige Rauschgiftdezernat Schwarzarbeit geleistet, notierte sich
Smiley. Das taten viele Außenagenten, einige sogar mit Wissen ihrer
Dienststelle: für sie war das, als verkauften sie Abfallprodukte. Es war ein
Nebenverdienst. Folglich nichts Weltbewegendes, aber Smiley speicherte die
Information dennoch.
    »Johnny
war okay«, wiederholte Sam mit drohendem Unterton. »Davon bin ich überzeugt«,
sagte Smiley unbeirrt höflich. Sam fuhr in seiner Erzählung fort. Er hatte
Johnny in der Indochine aufgesucht und ihm ein Tarnmärchen
aufgebunden, um ihn zu beruhigen, und ein paar Tage später hatte Johnny, der
nur ein bescheidener Schalterbeamter war, die Bücher durchgesehen und die
Belegzettel ausgegraben, und Sam hatte den ersten Anhaltspunkt in der Hand. Die
Routine sei folgendermaßen abgelaufen, sagte Sam:
    »Am
letzten Freitag eines jeden Monats traf aus Paris eine telegrafische
Geldanweisung zugunsten eines Monsieur Delassus ein, wohnhaft zur Zeit im Hotel
Condor, Vientiane, zahlbar gegen Vorlage des Reisepasses. Folgte die Nummer«.
Wiederum sagte Sam mühelos die Zahlen her. »Die Bank ließ das Aviso
hinausgehen, Delassus stellte sich am Montag frühstmöglich ein, hob das Geld in
bar ab, stopfte es in eine Aktentasche und marschierte damit hinaus. Ende des
Fahnenmastes«, sagte Sam. »Wieviel?«
    »Fing
klein an und wuchs rasch. Wuchs immer weiter, wuchs dann kräftiger.«
    »Bis
wohin?«
    »Fünfundzwanzigtausend
US in großen Lappen«, sagte Sam prompt.
    Smileys
Brauen hoben sich leicht. »Im Monat?« sagte er mit komischem Erstaunen.
    »Der große
Tisch«, pflichtete Sam ihm bei und verfiel in gemütliches Schweigen. Gescheite
Leute, deren Gehirn unterbeansprucht ist, haben eine besondere Spannung in
sich, und manchmal können sie deren Ausstrahlungen einfach nicht

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