Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
Vom Netzwerk:
flüchtig Zustimmung, verschränkte die ungeschickten Hände, schlang sie
mühsam über ein angewinkeltes Knie, und zog es bis zum Kinn hoch.
    Smiley
hatte die Augen geschlossen und schien entschlummert zu sein. Aber in
Wirklichkeit hörte er genau, was er zu hören erwartet hatte: als die Rede auf
das Personal der Firma Indocharter kam, umging Sam Collins leichtfüßig eine
bestimmte Person. »Aber ich glaube, Sie erwähnten auch zwei Nicht-Chinesen in
der Firma, Sam«, erinnerte Smiley ihn. »Eine törichte Blondine, sagten Sie, und
ein Pilot: Ricardo.« Sam wischte den Einwand lässig vom Tisch.
    »Ricardo
war verrückt wie ein Märzhase« sagte er. »Die Chinesen hätten ihm nicht einmal
die Portokasse anvertraut. Die wirkliche Arbeit wurde im Hinterzimmer erledigt.
Wenn Bargeld hereinkam, dann ging es dorthin und dann verschwand es dort. Ob
Russengeld, Opiumgeld oder sonstwas.«
    Di Salis
riß sich ungestüm an einem Ohrläppchen und pflichtete prompt bei: »Um nach
Gutdünken in Vancouver, Amsterdam oder Hongkong wieder aufzutauchen, wo immer
es jemand in seinen sehr chinesischen Kram paßte«, erklärte er und wand sich
vor Vergnügen über seine eigene Bemerkung. Sam hat sich auch diesmal wieder vom
Haken losgemacht, dachte Smiley. »Nun gut«, sagte er. »Und wie ging es danach
weiter, Sam, nach Ihrer autorisierten Lesart?«
    »London
hat die Sache abgeblasen.«
    An der
Totenstille mußte Sam blitzschnell erkannt haben, daß er an einen wichtigen
Nerv gerührt hatte. Was sich allerdings nur aus gewissen Anzeichen entnehmen
ließ: er blickte weder in die Runde, um ihre Gesichter zu sehen, noch ließ er
irgendeine Neugier erkennen. Statt dessen betrachtete er in einer Art
theatralischer Bescheidenheit angelegentlich seine glänzenden Abendschuhe und
die eleganten Seidensocken, und zog nachdenklich an seiner braunen Zigarette.
»Und wann ist das passiert, Sam?« Sam nannte das Datum.
    »Gehen Sie
ein Stück zurück. Immer noch, als gäbe es keine Akten, ja? Wieviel wußte London
von Ihren Nachforschungen, während Sie am Ball waren? Sagen Sie uns das.
Schickten Sie tägliche Lageberichte? Schickte Mac welche?« Hätten die Mütter
nebenan eine Bombe losgelassen, sagte Guillam später, keiner von ihnen hätte
den Blick von Sam gewendet. Nun, sagte Sam unbefangen, als ginge er zum Spaß
auf Smileys Grillen ein, er sei ein alter Hase. Sein Grundsatz bei der
Außenarbeit sei immer gewesen: erst handeln, dann fragen. Auch Mac habe es so
gemacht. Wer den umgekehrten Weg einschlage, der sei bald so weit, daß London
ihn nicht mehr über die Straße gehen lasse, ohne ihm zuerst die Windeln zu
wechseln, sagte Sam. »Also?« sagte Smiley geduldig.
    Also war
die erste Mitteilung, die sie über die Sache nach London machten, sozusagen
auch ihre letzte. Mac bestätigte die Anfrage, berichtete über die Hauptpunkte
von Sams Entdeckungen und bat London um weitere Instruktionen.
    »Und
London? Was hat London getan, Sam?«
    »Hat an
Mac einen eilig-dringend-wichtigen Aufschrei gejagt, daß wir beide von der Sache
abgezogen seien und er umgehend die Bestätigung zurückkabeln solle, ich hätte
den Befehl verstanden und befolgt. Sicherheitshalber knallten sie uns noch eins
auf den Deckel: wir sollten nie wieder solo fliegen.«
    Guillam
malte auf das vor ihm liegende Blatt Papier eine Blume, dann Blütenblätter, dann Regen, der auf die Blume
fiel. Connie strahlte Sam an, als wäre es sein Hochzeitstag, und in ihren Babyaugen
standen Tränen der Erregung, di Salis ruckte und zuckte seiner Gewohnheit gemäß
wie ein alter Motor, aber sein Blick war, wenn überhaupt irgendwohin, auf Sam
gerichtet.
    »Sie
müssen ziemlich wütend gewesen sein«, sagte Smiley schließlich.
    »Eigentlich
nicht.«
    »Wollten
Sie die Sache denn nicht zu Ende führen? Sie hatten schließlich einen
großartigen Treffer gemacht.«
    »Geärgert
hat es mich schon, klar.«
    »Aber Sie
hielten sich an die Anweisungen aus London?«
    »Ich bin
Soldat, George. Wir stehen alle im Feld.«
    »Sehr
lobenswert«, sagte Smiley und betrachtete wieder Sam, der sich so nett und
charmant im Smoking rekelte.
    »Befehl
ist Befehl«, sagte Sam lächelnd.
    »Jawohl.
Und als Sie dann schließlich nach London zurückkamen«, fuhr Smiley beherrscht
und zwanglos fort, »und ihre >Willkommen-zuhause-gut-gemacht<-Sitzung mit
Bill hatten, ob Sie da wohl, so ganz nebenbei, zufällig die Sache Bill
gegenüber erwähnten?«
    »Hab' ihn
gefragt, was zum Teufel er sich dabei gedacht hat«,

Weitere Kostenlose Bücher