Carre, John le
aus.
»George braucht Sie ausnahmsweise mal nicht, das ist alles. Nehmen Sie ein paar
Tage Urlaub oder so. Dampf ablassen.«
Aber für
Fawn war Smiley der Chef, und er blickte jeden scheel an, der ihn George
nannte.
Gegen Ende
dieser unfruchtbaren Phase erschien ein neues und wunderschönes Spielzeug auf
der fünften Etage. Es wurde von zwei bürstenköpfigen Technikern in Koffern
angebracht und in dreitägiger Arbeit installiert: ein grünes Telefon, das trotz
Smileys Vorurteilen für seinen Schreibtisch bestimmt war und ihn direkt mit dem
Annex verband. Es lief über Guillams Büro und war mit allen möglichen
rätselhaften grauen Boxen verbunden, die ohne Warnung lossummten. Sein
Vorhandensein vergrößerte noch die allgemeine Nervosität: was sollte eine
solche Maschine, fragten sie einander, wenn sie ihr nichts einzufüttern hatten?
Aber sie hatten etwas.
Plötzlich
war die Katze aus dem Sack. Connie sagte nicht, was sie gefunden hatte, aber
die Nachricht von ihrer Entdeckung verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch
das ganze Haus: »Connie hat einen Treffer gemacht!
Die Wühlmäuse haben einen Treffer gemacht!
Sie haben die neue Goldader gefunden! Sie haben sie von A bis Z aufgespürt!«
Wo
aufgespürt? Wo war A? Wo war Z? Connie und di Salis sagten nichts. Einen Tag
und eine Nacht hindurch schleppten sie Akten in den Thronsaal und wieder
heraus, zweifellos wieder einmal, um Smiley ihre Werke vorzuführen.
Dann
verschwand Smiley auf drei Tage, und Guillam erfuhr erst lang danach, daß er,
»um alles wasserdicht zu machen«, wie er sagte, Hamburg und Amsterdam
aufgesucht und mit bedeutenden Bankiers aus seinem Bekanntenkreis gesprochen
hatte. Diese Herren ließen es sich viel Zeit kosten, ihm zu erklären, der Krieg
sei vorbei und sie könnten unter keinen Umständen gegen ihren Ehrencodex
verstoßen, und am Ende gaben sie ihm die Auskunft, die er so dringend brauchte:
obwohl sie nur die letzte Bestätigung alles dessen war, was die Wühlmäuse
errechnet hatten. Smiley kehrte zurück, aber Peter Guillam blieb weiterhin
ausgeschlossen und wäre womöglich auf unabsehbare Zeit in seiner privaten
Vorhölle isoliert geblieben, hätte nicht das Dinner bei den Lacons
stattgefunden.
Daß er
einbezogen wurde, war reiner Zufall. Desgleichen das Dinner. Smiley hatte Lacon
um eine Nachmittagsaudienz in dessen Ministerium gebeten und zur Vorbereitung
mehrere Stunden in Gesellschaft Connies und di Salis' zugebracht. Im letzten
Moment wurde Lacon von seinen Vorgesetzten im Parlament mit Beschlag belegt und
schlug Smiley als Ersatz ein improvisiertes Essen in seiner scheußlichen Burg
in Ascot vor. Smiley haßte das Chauffieren, und es gab keinen Dienstwagen.
Schließlich bot Guillam an, ihn in seinem zugigen alten Porsche hinzufahren. Er
breitete eine Decke über Smiley, die immer in seinem Wagen lag, für den Fall,
daß Molly Meakin sich zu einem Picknick bereitfände. Auf der Fahrt versuchte
Smiley, Konversation zu machen, was ihn hart ankam, aber er war nervös. Sie
kamen bei Regen an, und an der Tür gab es einige Verwirrung darüber, was mit
dem unerwarteten Gefolgsmann zu tun sei. Smiley beteuerte, Guillam könne
inzwischen freinehmen und um halb elf wiederkommen; die Lacons, daß er bleiben
müsse, es sei massenhaft zu essen da. »Wie Sie wünschen«,
sagte Guillam zu Smiley. »Oh, natürlich. Nein, ich meine natürlich, wenn es den
Lacons recht ist, selbstverständlich«, sagte Smiley mißmutig, und sie gingen
hinein.
Es wurde
also ein viertes Gedeck aufgelegt und das verbratene Steak in so kleine Stücke
geschnitten, daß es wie vertrocknetes Stew aussah; eine Tochter wurde mit einem
Pfund per Fahrrad ausgeschickt, um eine zweite Flasche Wein aus der Kneipe an
der Landstraße zu holen. Mrs. Lacon war das scheue Reh, blond und errötend,
eine Kindbraut, aus der eine Kindmutter geworden war. Der Tisch war zu lang für
vier Personen. Sie setzte Smiley und ihren Mann ans eine Ende und Guillam neben
sich. Im Anschluß an die Frage, ob er Madrigale liebe, stürzte sie sich in eine
endlose Schilderung eines Konzerts an der Privatschule ihrer Tochter. Sie
sagte, die Schule werde einfach kaputtgemacht von den
reichen Ausländern, die dort aufgenommen würden, bloß damit die Kasse stimmte.
Die Hälfte von ihnen könne überhaupt nicht nach europäischer Art singen:
»Ich
meine, wer läßt sein Kind gern mit einem Haufen Perserinnen aufwachsen, wo
dort jeder sechs Ehefrauen hat?« Guillam ermunterte sie zum
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