Carre, John le
Spiel treibt.
»Danke,
Molly«, sagte Smiley höflich, als alle ihrer Bewunderung Ausdruck verliehen
hatten. »Vielen Dank.«
»Nichts zu
danken«, sagte Molly artig wie ein Kindermädchen. »Und Ricardo ist wirklich
tot, Mister Smiley«, fügte sie abschließend hinzu und nannte das gleiche
Sterbedatum, das auch Sana Collins angegeben hatte. Damit ließ sie ihre
Taschenbügel zuschnappen, zog den Rock über die bewundernswerten Knie und ging
anmutig aus dem Zimmer, auch hierbei wieder genau beobachtet von Peter Guillam.
Jetzt
herrschte eine andere Gangart, eine völlig andere Stimmung im Circus. Die
fieberhafte Suche nach einer Spur, irgendeiner Spur, war vorüber. Sie konnten,
anstatt in alle Richtungen zu galoppieren, auf ein Ziel zuschreiten. Die
trennenden Schranken zwischen den beiden Familien fielen weitgehend: die
Bolschies und die Gelben Gefahren wurden eine einzige Mannschaft unter der
vereinten Führung Connies und des Doc, auch wenn jede ihre spezielle Domäne
bewahrte. Danach kamen die freudigen Ereignisse für die Wühlmäuse in weiten
Abständen, wie Wasserlöcher auf einem langen und staubigen Treck, und manchmal
wären sie beinah am Wegrand zusammengebrochen. Connie brauchte nur eine Woche,
um den sowjetischen Zahlmeister in Vientiane zu identifizieren, der die
Überweisung von Geldern an Indocharter, Vientiane S. A. tätigte -
Handels-Boris. Es handelte sich um den ehemaligen Soldaten Zimin, Ex-Absolvent
von Karlas privatem Ausbildungslager in der Nähe von Moskau. Unter dem früheren
Decknamen Smirnow war dieser Zimin bereits aktenkundig als einstiger
Zahlmeister für einen ostdeutschen Apparat in der
Schweiz vor sechs Jahren. Davor war er unter dem Namen Kursky in Wien
aufgetaucht. Er hatte sich auch als Lauscher und Fallensteller hervorgetan, und
man wollte wissen, daß er der gleiche Zimin sei, der in West-Berlin die
großartige Liebesfalle für eben jenen französischen Senator aufgestellt habe,
der dann später die Hälfte aller Geheimnisse seines Landes an die andere Seite
verkauft hatte. Er hatte Vientiane genau einen Monat nach dem Eintreffen von
Sams Bericht in London verlassen. Nach diesem kleinen Sieg nahm Connie sich die
scheinbar unmögliche Aufgabe vor, herauszufinden, welche Anordnungen Karla oder
sein Zahlmeister Zimin getroffen haben mochten, um die stillgelegte Goldader zu
ersetzen. Verschiedene Ansätze standen ihr zur Verfügung. Erstens der bekannte
Konservativismus riesiger Nachrichtenapparate und deren Festhalten an
bewährten Handelswegen. Zweitens die Annahme, daß die Zentrale, da es sich um
bedeutende Zahlungen handelte, das alte System baldmöglichst durch ein neues
ersetzen müßte. Drittens Karlas Genugtuung sowohl vor dem Sündenfall, als er
den Circus manövrierunfähig machte wie auch danach, als der Circus ihm zahnlos
und in den letzten Zügen zu Füßen lag. Und schließlich verließ sie sich ganz
einfach auf ihre eigene umfassende Kenntnis der Materie. Connies Team suchte
zunächst die Unmengen nicht verarbeiteten Rohmaterials zusammen, das in den
Jahren ihres Exils absichtlich vernachlässigt herumgelegen hatte, und unternahm
gewaltige Streifzüge durch die Unterlagen, sichtete, verglich, fertigte Karten
und Diagramme an, verfolgte die individuelle Handschrift bekannter
Spezialisten, litt an Migränen, zankte sich, spielte Ping-Pong; und unternahm
dann und wann mit nervtötender Behutsamkeit und mit Smileys ausdrücklicher
Genehmigung schüchterne Erkundungsvorstöße in die Außenwelt. Eine
freundschaftliche Beziehung in der City wurde überredet, einen alten Bekannten
aufzusuchen, der sich mit Firmen auf dem Festland von Hongkong auskannte. Ein
Devisenhändler in Cheapside gewährte Toby Esterhase, dem scharfäugigen
ungarischen Überlebenden des frühen Circus - er war alles, was von der
ruhmreichen riesigen Schar von Kurieren und Observanten noch übrig war -,
Einsicht in seine Bücher. So ging es weiter, im Schneckentempo: aber wenigstens
wußte die Schnecke, wohin sie wollte. Doc di Salis schlug in seiner distanzierten
Art den überseeischen Chinapfad ein, arbeitete sich durch die verschlungenen
Zusammenhänge zwischen Indocharter, Vientiane S. A. und dessen schwer zu
fassenden Abfolgen von Stammfirmen. Seine Gehilfen waren so ungewöhnlich wie
er selbst, entweder Sprachstudenten oder ältere reaktivierte Chinaexperten. Mit
der Zeit nahmen sie eine einheitliche Blässe an, wie die Insassen des gleichen
feuchtkalten Alumnats. Inzwischen schob Smiley sich
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