Carre, John le
sie dem Stammpersonal einverleibt und bekam eine
Beförderung, wenn dies das richtige Wort ist, in die »Fleischbeschau«, von
wannen, wie die Sage behauptet, noch niemals ein Mann, geschweige eine Frau,
lebend wiedergekehrt war. Aber Molly hatte - vielleicht durch Vererbung - das,
was man beim Bau als natürliches Auge bezeichnet. Während ihre Umgebung noch
darüber palaverte, wo genau jeder gewesen sei und was jede getragen habe, als
die Nachricht von Haydons Festnahme bei ihnen eintraf, baute Molly in aller
Stille einen unauffälligen und inoffiziellen Kanal zu ihrer Partnerstelle im
Annex am Grosvenor Square, der sich an den von den Vettern seit dem Sündenfall
eingeführten Dienstwegen vorbeischlängelte. Ihr wichtigster Verbündeter war die
Routine. Mollys Besuchstag war Freitag. Jeden Freitag trank sie Kaffee mit Ed,
der den Computer bediente; sie sprach über Musik mit Marge, die Ed ablöste, und
manchmal blieb sie auf ein Tänzchen oder eine Partie Shuffleboard oder Kegeln
im Twilight Club im Souterrain des Annex. Freitag war auch der Tag, an dem sie
so ganz nebenbei ihre kleine Einkaufsliste von Suchanforderungen mitnahm. Auch
wenn nichts anstand, so erfand Molly vorsorglich irgend etwas, um den Kanal
offen zu halten. An diesem speziellen Freitag nahm Molly Meakin auf Smileys
Geheiß den Namen Tiny Ricardo in ihre Liste auf. »Aber ich will nicht, daß er
irgendwie auffällt, Molly«, sagte Smiley besorgt.
»Natürlich
nicht«, sagte Molly.
Als Rauch,
wie Molly es nannte, wählte sie ein Dutzend weitere Rs, und als sie zu Ricardo
kam, schrieb sie auf »Richards, siehe auch Rickard, siehe auch Ricardo, Beruf
Lehrer, siehe auch Fluglehrer«, so daß der echte Ricardo nur als eine mögliche
Identifizierung auftauchen würde. Staatsangehörigkeit mexikanisch siehe auch
arabisch, fügte sie hinzu: und sie streute als zusätzliche Information hinein,
daß er ohnehin bereits tot sein könne.
Es war
wieder einmal später Abend, als Molly in den Circus zurückkehrte. Guillam war
erschöpft. Vierzig ist ein schwieriges Alter zum Wachbleiben, fand er. Mit
zwanzig oder mit sechzig weiß der Körper, woran er ist, aber vierzig ist eine
Entwicklungsstufe, in der man schläft, um erwachsen zu werden oder jung zu
bleiben. Molly war dreiundzwanzig. Sie ging direkt in Smileys Zimmer, setzte
sich artig mit zusammengepreßten Knien hin und packte ihre Tasche aus, genau
beobachtet von Connie Sachs und noch genauer von Peter Guillam, wenn auch aus
unterschiedlichen Gründen. Es tue ihr leid, daß sie so spät komme, sagte sie
ernsthaft, aber Ed habe darauf bestanden, sie in eine Wiederaufführung von True Grit mitzunehmen,
einem Knüller im Twilight Club, und anschließend
habe sie ihn abwimmeln müssen, wollte ihn jedoch nicht kränken, am
allerwenigsten heute Abend. Sie reichte Smiley einen Umschlag, und er öffnete
ihn und zog eine lange gelbbraune Computerkarte heraus. Hat sie ihn nun
abgewimmelt oder nicht?, hätte Guillam gern gewußt. »Wie ist es gelaufen?« war
Smileys erste Frage.
»Wie am
Schnürchen«, antwortete sie.
»Was für
ein seltsames Schriftstück«, rief Smiley zunächst aus. Aber als er weiterlas, wechselte
sein Gesichtsausdruck langsam zu einem ungewohnten wölfischen Grinsen. Connie
war weniger beherrscht. Als sie die Karte schließlich an Guillam weiterreichte,
lachte sie lauthals: »O Bill! O du böser lieber Junge! Wie er alle in die
falsche Richtung geschickt hat! O dieser Satan!« Um die Vettern zu
beschwichtigen, hatte Haydon seine ursprüngliche Lüge umgekehrt. Im Klartext
erzählte das ziemlich lange Computerblatt die folgende berückende Geschichte:
Um zu verhindern, daß die Vettern parallel zum Circus Recherchen über die
Firma Indocharter anstellten, hatte Bill Haydon in seiner Eigenschaft als
Leiter von London Station pro forma ein Hände-Weg-Schreiben an den Annex
geschickt, entsprechend der gültigen bilateralen Vereinbarung zwischen den
beiden Dienststellen. Darin wurde den Amerikanern zur Kenntnis gebracht, daß
Indocharter, Vientiane S. A. zur Zeit von London überprüft werde und daß der
Circus einen Agenten am Ort habe. Die Amerikaner erklärten sich einverstanden,
alle eventuellen Interessen an der Sache ruhen zu lassen, gegen Beteiligung am
eventuellen Resultat. Um der britischen Operation behilflich zu sein, erwähnten
die Vettern jedoch, daß ihre Verbindung zu dem Piloten Tiny Ricardo erloschen
sei.
Kurzum,
ein einmalig schönes Beispiel dafür, wie man ein doppeltes
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