Carre, John le
Weiterplappern und
spitzte die Ohren, um etwas von dem Gespräch am anderen Tischende
mitzubekommen. Lacon schien gleichzeitig alle Register zu ziehen:
»Zuerst
ein Gesuch an mich«, trompetete er, »machen Sie das
sofort und sehr korrekt. In diesem Stadium sollten Sie höchstens einen
vorläufigen Überblick geben. Minister haben bekanntermaßen eine Abneigung
gegen alles, was nicht auf einer Postkarte Platz hat. Am besten auf einer Ansichtskarte«,
sagte er und nahm einen beherzten Schluck von dem gräßlichen Rotwein. Mrs.
Lacon, deren Intoleranz etwas von strahlender Unschuld an sich hatte, jammerte
nun über die Juden: »Ich meine, sie essen nicht einmal die gleichen Speisen wie wir«,
sagte sie. »Penny sagt, sie kriegen zum Lunch besondere Heringsgerichte.«
Guillam
verlor wiederum den Faden, bis Lacon warnend die Stimme hob:
»Versuchen
Sie, Karla hier rauszuhalten, George. Ich bat
Sie bereits darum. Gewöhnen Sie sich an, statt dessen Moskau zu sagen,
ja? Die Leute mögen nichts Persönliches - so leidenschaftslos Ihr Haß gegen
ihn auch sein mag. Ich auch nicht.«
»Gut,
Moskau«, sagte Smiley.
»Nicht daß
man etwas gegen sie hätte«, sagte Mrs.
Lacon. »Sie sind nur so anders.«
Lacon kam
wieder auf einen früheren Punkt zu sprechen: »Wenn Sie sagen, eine große Summe, wie
groß ist dann groß?«
»Wir sind
noch nicht in der Lage, das anzugeben«, erwiderte Smiley.
»Gut. Um
so verlockender. Haben Sie keinen Panik-Faktor?« Smiley konnte dieser Frage
sowenig folgen wie Guillam. »Was regt Sie an Ihrer Entdeckung am meisten auf,
George? Worum fürchten Sie, hier, in Ihrer Rolle als Wachhund?«
»Um die
Sicherheit einer britischen Kronkolonie?« schlug Smiley nach einigem Überlegen
vor.
»Sie
sprechen über Hongkong«, erklärte Mrs. Lacon Guillam. »Mein Onkel war
Staatssekretär. Väterlicherseits«, fügte sie hinzu. »Mamas Brüder haben nie
etwas Gescheites getan.« Sie sagte, Hongkong sei nett, aber es rieche. Lacon war
jetzt rosig angehaucht und schweifte ein bißchen ab. »Kolonie, mein Gott, hast
du das gehört, Val?« rief er über den Tisch, um ihr bei dieser Gelegenheit ein
bißchen Bildung zu vermitteln. »Doppelt so reich wie wir, denke ich, und von
meiner Warte aus gesehen auch beneidenswert sicherer. Volle zwanzig Jahre muß
der Vertrag noch laufen, auch wenn die Chinesen die Pacht hochtreiben. In
dieser Preislage sollten sie uns in Frieden aussterben lassen.«
»Oliver
glaubt, wir seien verloren«, erklärte Mrs. Lacon Guillam so
erregt, als vertraute sie ihm ein Familiengeheimnis an, und warf ihrem Mann ein
engelhaftes Lächeln zu. Lacon nahm seinen früheren freundschaftlichen Tonfall
wieder auf, aber er sprach sehr sonor, so daß Guillam vermutete, er wolle vor
seiner Squaw eine Schau abziehen.
»Sie
würden mich außerdem darauf hinweisen, ja? - gewissermaßen als Hintergrund der
Ansichtskarte -, daß bedeutendere nachrichtendienstliche Aktivitäten der
Sowjets in Hongkong für die Kolonialregierung eine verheerende Erschwernis in
ihren Beziehungen zu Peking darstellen würde?«
»Ehe ich
so weit gehen würde . . . «
»Von
dessen Wohlwollen«, fuhr Lacon fort, »ihr Überleben von Stunde zu Stunde
abhängt, stimmt's?«
»Es geht
darum, daß allein solche möglichen Weiterungen . . . «, sagte Smiley.
»Oh,
Penny, du bist nackt«, rief Mrs. Lacon nachsichtig. Zu
Guillams unendlicher Erleichterung sprang sie auf, um eine ungebärdige kleine
Tochter zu beruhigen, die unter der Tür erschienen war. Lacon hatte inzwischen
zu einer Arie Luft geholt. »Daher beschützen wir Hongkong nicht nur vor den Russen - was schon
schwierig genug ist, das garantiere ich Ihnen, aber vielleicht nicht schwierig
genug für einige unserer feinsinnigen Minister -, wir beschützen Hongkong auch
vor dem Zorn Pekings - der weltweit als schrecklich gilt, stimmt's, Guillam? Indessen«, fuhr Lacon fort, und ging, um dem volte face Nachdruck zu verleihen, so weit, Smileys Arm mit seiner langen Hand
festzuhalten, so daß er das Glas absetzen mußte -, »indessen«, warnte er, und
seine unberechenbare Stimme fiel und hob sich wieder, »ob unsere Herrn und
Meister das alles schlucken werden, ist eine ganz andere Frage.«
»Ich habe
nicht vor, sie darum zu bitten, ehe ich nicht Erhärtung unserer Daten erhalten
habe«, sagte Smiley scharf. »Ah, aber das können Sie nicht, oder?« protestierte
Lacon, der das Rollenfach wechselte. »Sie können nicht über Inlandsuntersuchungen
hinausgehen. Sie haben
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