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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Im Büro der
Mütter durchschritt Connie das Spalier der zugedeckten Schreibmaschinen,
vermummte Schildwachen im Schummerlicht. »Karla ist ein solcher Geizkragen,
daß er findet, seine Agenten sollten gratis für ihn arbeiten!
Genau. Bezahlt sie pfennigweise. Taschengeld. Inflation hin oder her, aber eine
halbe Million Dollar für einen einzigen kleinen Maulwurf! Nie von sowas
gehört!«
    di Salis
war auf seine schrullige Art nicht weniger beeindruckt als Connie. Er saß da, hatte
den oberen Teil seines verdrehten, unproportionierten Körpers nach vorn gekippt
und stocherte so ungestüm mit einem silbernen Messer im Pfeifenkopf, als wäre
es ein angebrannter Kochtopf. Das silberne Haar am Hinterkopf starrte wie ein
Hahnenkamm über dem schuppenbedeckten Kragen seines zerknitterten schwarzen
Jacketts. »Nun, well, kein Wunder, daß Karla die Leichen
verschwinden lassen wollte«, platzte er plötzlich heraus, als hätte so viel Aktivität
die Worte aus ihm herauskatapultiert. »Kein Wunder. Karla ist auch ein alter
Chinahase, müssen Sie wissen. Beglaubigte Tatsache. Ich weiß es von Connie.« Er
rappelte sich hoch und raffte viel zu viele Gegenstände mit den kleinen Händen
an sich: Pfeife, Tabaksdose, sein Federmesser und seinen Thomas Traherne.
»Natürlich keine Intelligenzbestie. Erwartet man auch nicht. Karla ist kein
Gelehrter, er ist Soldat. Aber auch nicht blind, kein Gedanke, sagte sie mir.
Ko.« Er wiederholte den Namen in verschiedenen Lautqualitäten. »Kö. Ko. Ich muß
die Ideogramme sehen. Alles hängt von den Ideogrammen ab. Höhe . . . Baum-. . .
sogar, ja, Baum wäre möglich . . . oder nicht? ... oh, und noch mehrere weitere
Bedeutungen. >Drake< ist natürlich Missionsschule. Missionsschüler in
Schanghai. Mhm, well, allererste Parteizelle war in
Schanghai. Warum habe ich das gesagt? Drake Ko. Frage
mich, wie er wirklich heißen mag. Aber das werden wir bestimmt alles bald
herausbekommen. Ja. Gut. Also, dann begebe ich mich auch wieder an meine
Lektüre. Smiley, glauben Sie, daß ich einen Kohlenschütter in mein Zimmer
kriegen kann? Ohne Heizung erfriert man einfach. Ich habe die Housekeepers
schon ein Dutzendmal gebeten und nur impertinente Bemerkungen einstecken
müssen. Anno domini wahrscheinlich, aber der Winter steht wohl schon vor der Tür.
Sie zeigen uns doch das Rohmaterial, sobald es eintrifft? Man arbeitet nicht
gern allzu lang an konstruierten Versionen. Ich werde einen Lebenslauf
zusammenstellen. Soll meine erste Arbeit sein. Ko. Ah, vielen Dank, Guillam.«
    Er hatte
seinen Thomas Traherne fallenlassen. Als er ihn entgegennahm, entglitt ihm die
Tabaksdose, also hob Guillam auch sie auf: »Drake Ko. Schanghainese bedeutet
natürlich überhaupt nichts. Schanghai war der wahre Schmelztiegel. Die Lösung
lautet Chiu Chow, nach allem, was wir wissen. Trotzdem, keine voreiligen
Schlüsse. Baptist. Nun ja, das sind die Christen in Chiu Chow größtenteils,
nicht wahr! Swatonese: wo kam das vor? Ja, die zwischengeschaltete Gesellschaft
in Bangkok. Ja, das paßt ganz gut. Oder Hakka. Was sich gegenseitig nicht
ausschließt, ganz und gar nicht.« Er stelzte hinter Connie her in den Korridor
hinaus und ließ Guillam allein mit Smiley, der aufstand, zu einem Lehnstuhl
hinüberging, sich hineinfallen ließ und blicklos ins Feuer starrte.
    »Komisch«,
bemerkte er endlich. »Man fühlt keinen Schock. Warum nicht, Peter. Sie kennen
mich. Warum denn nicht?« Guillam war klug genug, zu schweigen.
    »Ein
großer Fisch. In Karlas Sold. Anderkonten, die Gefahr, daß russische Spione
mitten im Herzen der Kolonie am Werk sind. Also, warum fühlt man keinen
Schock?« Wieder bellte das grüne Telefon, diesmal nahm Guillam den Anruf
entgegen. Während er am Apparat stand, sah er zu seinem Erstaunen einen neuen
Band von Sam Collins' Fernost-Berichten offen auf dem Schreibtisch liegen.
    Das war das
Wochenende. Connie und di Salis verschwanden spurlos; Smiley machte sich daran,
seine Eingabe an Whitehall auszuarbeiten. Guillam glättete sein Gefieder,
trommelte die Mütter zusammen und teilte sie zur Schichtarbeit ein. Am Montag
rief er nach eingehender Vergatterung durch Smiley Lacons Privatsekretär an. Er
machte es sehr gut. »Kein Tamtam«, hatte Smiley ihn gewarnt. »Ganz lässig.« Und
genauso tat Guillam. Neulich abends beim Dinner sei die Rede gewesen - so sagte
er - von einem prima facie Fall, der möglicherweise vor den
Lenkungsausschuß gehöre.
    »Die Sache
hat ein bißchen Gestalt angenommen, es

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