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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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müssen, nicht loszulassen. Übelkeit befiel ihn. Im
Dunkeln wurde Old Craws Fluchen viel lauter, aber nicht laut genug, um das
Kreischen der Wasservögel auf dem See zu übertönen. Er ist geschickt, dachte
Jerry beruhigt. Er kann es im Schlaf. Er hörte das Knirschen von Bakelit, als
Craw den Deckel zuschraubte und ein »Schön ins Bettchen, du kleiner Heidenbastard«
brummelte. Dann das seltsam trockene Rasseln, als er behutsam die Luftblasen
aus dem Entwickler schüttelte. Dann ging die Kontrollampe mit einem Knacks an,
der so laut war wie ein Pistolenschuß, und Old Craw war wieder sichtbar, rot
wie ein Papagei vom Dunkelkammerlicht, über den hermetisch verschlossenen Tank
gebeugt. Zuerst goß er rasch das Fixiermittel ein, dann stellte er den Tank
seelenruhig auf den Kopf und richtete ihn wieder gerade, während er auf den
alten Küchenwecker lauschte, der die Sekunden herunterstotterte.
    Halb
gelähmt von Nervosität und Hitze ging Jerry allein zurück in den Wohnraum, goß
sich ein Bier ein und plumpste in einen Rohrsessel. Sein Blick war ziellos,
während er auf das stetige Tropfen des Wasserhahns horchte. Durchs Fenster
drang das Plappern chinesischer Stimmen. Die beiden Angler hatten ihr Gerät am
Seeufer aufgestellt. Die Kinder saßen im Staub und sahen ihnen zu. Aus dem
Badezimmer kam wiederum das Kratzen des Deckels, und Jerry sprang auf, aber
Craw mußte ihn gehört haben, denn er knurrte »Warten« und schloß die Tür. Linienpiloten,
Journalisten, Spione, warnte die Sarratt-Doktrin. Der
gleiche Schlauch. Verdammte Warterei, und dann zwischendurch ein irrer Rummel.
    Er will's
erst sehen, dachte Jerry: falls sie verpatzt sind. Nach der Hackordnung mußte
Craw seinen Frieden mit London machen, nicht Jerry. Craw, der ihn im äußersten
Notfall zu einer zweiten Runde mit Frost ausschicken würde.
    »Was
machen Sie denn da drinnen, um Himmels willen?« brüllte Jerry. »Was ist los?«
    Vielleicht
pinkelt er nur, dachte er töricht.
    Langsam
öffnete sich die Tür. Craws Feierlichkeit war erschreckend.
    »Sie sind
nichts geworden«, keuchte Jerry.
    Er hatte
das Gefühl, sich Craw nicht verständlich machen zu können. Er wollte es
nochmals sagen, laut. Er wollte schon herumtanzen und eine blödsinnige Szene
machen. So daß Craws Antwort, als sie endlich erfolgte, gerade noch zur rechten
Zeit kam.
    »Im
Gegenteil, mein Sohn.« Der alte Knabe trat einen Schritt vor, und Jerry konnte
jetzt die Filme sehen, die wie schwarze nasse Würmer an Craws kleiner
Wäscheleine baumelten, von rosa Klammern festgehalten. »Im Gegenteil, Sir«,
sagte er. »Jedes einzelne ist ein kühnes und erregendes Meisterstück.«
     
    Noch mehr über
Pferde
     
    Die ersten
Meldungen über Jerrys Erfolge tröpfelten frühmorgens im Circus ein, wo bisher
tödliche Stille geherrscht hatte, und sie machten das Wochenende zu einem
einzigen Wirbel. Guillam, der wußte, was ihn erwartete, hatte sich um zehn zu
Bett begeben und einen unruhigen Schlaf getan, unterbrochen von Besorgnisanfällen
um Jerry und unverhüllt sündigen Visionen von Molly Meakin mit und ohne ihren
braven Badeanzug. Jerry sollte sich kurz nach vier Uhr morgens Londoner Zeit
bei Frost einfinden, und um drei Uhr dreißig knatterte Guillam in seinem alten
Porsche durch neblige Straßen zum Circus. Es hätte Morgengrauen oder
Abenddämmerung sein können. Als er die Rumpelkammer betrat, sah er Connie die
letzten leeren Felder des Kreuzworträtsels der Times ausfüllen und Doc di
Salis über den Meditationen Thomas Trahernes sitzen, sich am Ohr zupfen und
gleichzeitig mit dem Fuß wippen, wie ein Ein-Mann-Schlagorchester. Ruhelos wie
immer flitzte Fawn zwischen ihnen hin und her, wischte Staub und räumte auf wie
ein Kellner, der ungeduldig auf die nächste Gästeschicht wartet. Dann und wann
saugte er an den Zähnen und ließ in kaum noch beherrschter Frustration ein
fauchendes »Pff« hören. Eine Schwade von Tabaksqualm hing wie eine Regenwolke
im Raum, vereint mit dem üblichen Gestank nach abgestandenem Tee aus dem
Samowar. Smileys Tür war geschlossen, und Guillam sah keinen Grund, ihn zu
stören. Er schlug eine Nummer von Country Life auf. Wie
wenn man bei einem Scheiß-Zahnarzt wartet, dachte er, saß da und glotzte
gedankenlos auf die Fotos großartiger Häuser, bis Connie leise ihr
Kreuzworträtsel weglegte, sich kerzengerade aufsetzte und sagte: »Horcht«.
Dann hörte er das grüne Telefon der Vettern kurz schnarren, bis Smiley abhob.
Durch die offene Tür zu

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