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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Wohlstands. Jedem der auserwählten Honoratioren widmete der
Artikel eine Seite Text und ein Foto, das den Betreffenden meist vor dem
Hintergrund seines Besitztums zeigte. Der Held des Hongkong-Interviews - andere
spielten in Bangkok, Manila, Singapur - war der >allgemein beliebte<
Sportsmann und Steward des >Jockey Club<, Mr. Drake Ko, Präsident,
Vorsitzender, geschäftsführender Direktor und Hauptaktionär von >China
Airsea<«, und das Foto zeigte ihn mit seinem Pferd Lucky Nelson am Ende
einer erfolgreichen Rennsaison in Happy Valley. Der Name des Pferdes machte den
Europäer Jerry stutzig. Er fand es makaber, daß ein Vater einem Pferd den Namen
seines toten Sohnes geben sollte.
    Das
dazugehörige Bild enthüllte weit mehr als die nichtssagenden Schnappschüsse in
»Who's Who«. Ko wirkte fröhlich, ja sogar übermütig, und obwohl er eine
Kopfbedeckung trug, hatte man den Eindruck, er sei kahl. Die Kopfbedeckung war
im Moment das Interessanteste an Ko, denn es handelte sich um eine, die man,
soweit Jerry das beurteilen konnte, noch nie an einem Chinesen gesehen hatte. Es
war eine Baskenmütze, schräg aufgesetzt, und sie reihte Ko irgendwo zwischen
einem britischen Soldaten und einem französischen Zwiebelhändler ein: aber vor
allem verriet sie die für einen Chinesen allerseltenste Eigenschaft:
Selbstironie. Er war offensichtlich hochgewachsen, er trug einen
Burberry-Mantel, und seine langen Hände ragten wie Äste aus den Ärmeln hervor.
Er schien das Pferd wirklich sehr gern zu haben, ein Arm ruhte leicht auf dem
Rücken des Tieres. Auf die Frage, warum er noch immer eine Dschunkenflotte
unterhielte, was doch allgemein als unrentabel galt, erwiderte er: »Meine
Leute sind Hakkas aus Chiu Chow. Wir atmeten das Wasser ein, bebauten das
Wasser, schliefen auf dem Wasser. Boote sind mein Element.« Gern schilderte er
auch seine Reise von Schanghai nach Hongkong im Jahre 1951. Damals war die
Grenze noch offen, und es bestanden keine wirksamen
Einwanderungsbeschränkungen. Dennoch hatte Ko es vorgezogen, die Reise auf
einem Fischerboot zu machen, Piraten, Blockaden und Unbilden der Witterung zum
Trotz: was man, gelinde ausgedrückt, als exzentrisch bezeichnen konnte.
    »Ich bin
ein großer Faulpelz«, soll er gesagt haben. »Wenn der Wind mich umsonst treibt,
warum dann zu Fuß gehen? Jetzt besitze ich eine Jacht von sechzig Fuß Länge,
aber ich liebe das Meer noch immer.«
    Berühmt
für seinen Humor, sagte der Artikel.
    Ein guter
Agent muß Unterhaltungswert haben, sagen die Bärentreiber von Sarratt: das
hatte auch die Moskauer Zentrale begriffen.
    Da er
unbeobachtet war, schlenderte Jerry hinüber zur Ablage und hatte sich ein paar
Minuten später einen dicken Band mit Presseausschnitten angeeignet, vorwiegend
über einen Aktienskandal von 1965, bei dem Ko und eine Gruppe Swatonesen eine
undurchsichtige Rolle gespielt hatten. Die Ermittlungen der Börsenaufsicht
erwiesen sich, wie kaum überraschte, als nicht schlüssig und wurden ad acta
gelegt. Im folgenden Jahr bekam Ko seinen O. B. E.: »Wenn du jemanden kaufst«,
pflegte Old Sambo zu sagen, »dann kauf ihn gründlich.«
    In Lukes
Büro arbeitete ein Stab von chinesischen Rechercheuren, unter ihnen ein
geselliger Kantonese namens Jimmy, der häufig im Club auftauchte und gegen
chinesische Entlohnung das Orakel für Chinafragen spielte. Jimmy sagte, die
Swatonesen seien ein Volk für sich, »wie die Schotten oder die Juden«,
unternehmend, stammesverbunden und notorisch geizig und siedelten am Meer, so
daß sie dort Zuflucht finden konnten, wenn sie verfolgt wurden, am Verhungern
oder tief verschuldet waren. Er sagte, ihre Frauen seien sehr begehrt, denn sie
seien schön, fleißig, genügsam und wollüstig.
    »Sind Sie
wieder einen Roman am Schreiben, Westerby?« fragte der Zwerg honigsüß, als er
aus seinem Büro kam, um nachzusehen, was Jerry trieb. Jerry hatte fragen
wollen, warum ein Swatonese in Schanghai erzogen sein sollte, aber er fand es
klüger, auf ein weniger delikates Thema umzuschwenken. Am nächsten Tag lieh
Jerry sich Lukes klappriges Auto aus. Mit einer gewöhnlichen
Fünfunddreißigmillimeter-Kamera ausgerüstet fuhr er zur Headland Road, einem
Millionärs-Getto zwischen Repulse Bay und Stanley, wo er demonstrativ vor den
Villen hielt und sich den Hals verrenkte, wie es viele müßige Touristen tun.
Seine Tarngeschichte war noch immer diese Reportage für Stubbs über die
»Reichen und die Superreichen von Hongkong«: auch jetzt noch

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