Carre, John le
seinem eigenen Büro blickte Guillam auf die Reihe
elektronischer Boxen. An einer von ihnen brannte ein grünes Warnlicht während
der ganzen Dauer des Gesprächs. Dann klingelte der Anschluß in der
Rumpelkammer, und diesmal war Guillam schneller als Fawn.
»Er hat
die Bank betreten«, verkündete Smiley kryptisch über die Nebenstellenanlage.
Guillam
gab die Nachricht an die Versammlung weiter: »Er ist in die Bank reingegangen«,
sagte er, aber er hätte ebensogut zu den Toten sprechen können. Niemand gab das
kleinste Zeichen, daß er ihn gehört hatte.
Um fünf
hatte Jerry die Bank wieder verlassen. Nervös erwog Guillam die weiteren
Möglichkeiten. Er fühlte sich physisch übel. Verbrennen war ein gefährliches
Spiel, und wie die meisten Profis war Guillam dagegen, wenn auch nicht aus
Gewissensgründen. Da war zuerst einmal die verfolgte Beute, oder, noch
schlimmer, die Schar der Engel von der Ortspolizei. Zweitens das Verbrennen
selbst: nicht jeder reagiert logisch auf Erpressung. Es gibt Helden, es gibt
Lügner, es gibt hysterische Jungfrauen, die den Kopf in den Nacken werfen und Zeter
und Mordio schreien, auch wenn es ihnen Spaß macht. Aber die größte Gefahr kam
jetzt, nachdem der Brand gelegt war und Jerry der rauchenden Bombe den Rücken
kehren und losrennen mußte. Nach welcher Seite würde Frost sich stürzen? Würde
er die Polizei anrufen? Seine Mutter? Seinen Boß? Seine Frau? »Darling, ich
gestehe alles, rette mich, und wir wollen ein neues Leben beginnen.« Guillam
schloß nicht einmal die grauenhafte Möglichkeit aus, daß Frost direkt zu seinem
Kunden gehen könnte: »Sir, ich habe mich für einen gröblichen Bruch des
Bankgeheimnisses zu verantworten.« Guillam schauderte in der Unheimlichkeit
der frühen Morgenstunde und konzentrierte seine Gedanken energisch auf Molly.
Als das grüne Telefon wiederum ertönte, hörte Guillam es nicht. George mußte
praktisch auf dem Ding gesessen haben. Plötzlich glomm das Lämpchen in Guillams
Büro auf, und es glomm fünfzehn Minuten lang weiter. Es erlosch, und sie
warteten, aller Augen auf Smileys Tür geheftet, als wollten sie ihn aus seiner
Klause hypnotisieren. Fawn war mitten in der Bewegung erstarrt, einen Teller
mit braunen Marmeladebroten in der Hand, die niemand je essen würde. Dann
bewegte sich die Klinke und Smiley erschien mit einem
Wald-und-Wiesen-Suchantrag in der Hand, den er bereits in seiner sauberen
Schrift ausgefüllt und mit »Stripe« gekennzeichnet hatte, was »Eilige
Chefsache« bedeutete und die höchste Dringlichkeitsstufe darstellte. Er gab es
Guillam und bat ihn, es sofort der Bienenkönigin in der Registratur zu bringen
und bei ihr stehenzubleiben, während sie den Namen heraussuchte. Als Guillam
es entgegennahm, fiel ihm eine frühere Gelegenheit ein, bei der er mit einem
ähnlichen Formular zu tun gehabt hatte, das mit Worthington Elizabeth alias
Lizzie begonnen und mit »Edelnutte« geendet hatte. Und im Hinausgehen hörte er,
wie Smiley ruhig an Connie und di Salis die Aufforderung richtete, mit ihm in
den Thronsaal zu kommen, während Fawn zur allgemeinen Bibliothek abzischte, um
von dort die letzte Ausgabe von »Who's Who in Hong Kong« zu holen. Die
Bienenkönigin war eigens für die Frühschicht eingeteilt worden, und als Guillam
zu ihr hereinkam, glich ihre Höhle einem Gemälde aus der Reihe »Die Nacht, in
der London brannte«, komplett mit eisernem Feldbett und Spirituskocher, obwohl
im Korridor eine Kaffeemaschine stand. Alles, was sie braucht, ist eine
Garnitur Kochtöpfe und ein Porträt Winston Churchills, dachte er. Die einzelnen
Angaben auf dem Formular lauteten; »Ko, Vorname Drake, andere Namen unbekannt,
geboren 1925 in Schanghai, wohnhaft zur Zeit Seven Gates, Headland Road,
Hongkong, Beruf Vorsitzender und geschäftsführender Direktor von >China
Airsea Ltd., Hong Kong<.« Die Bienenkönigin stürzte sich in eine
eindrucksvolle Schnitzeljagd, aber alles, was sie schließlich zutage förderte,
war die Information, daß Ko im Jahr 1966 (Hongkong-Liste) »wegen besonderer
Verdienste um das Wohlfahrts- und Sozialwesen der Kolonie« für den O. B. E.,
den Order of the British Empire, vorgeschlagen wurde und daß der Circus damals
auf das Ansuchen des Gouverneurs um kritische Nachprüfung die Auskunft erteilt
habe, »laut Akten keine Hinderungsgründe«, ehe die Auszeichnung nach oben zur
Bestätigung weitergeleitet wurde. Während er mit dieser frohen Botschaft
treppauf eilte, war Guillam wach
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