Carre, John le
seinem Magen herum. Am rechten Handgelenk trug er eine goldene Uhr, die
Finger waren gekrümmt, als wollten sie Wasser schöpfen. Er war glatt und
glänzend und hätte ebensogut dreißig wie sechzig sein können. »Mr. Ko gewinnt
Rennen. Ich bringe ihn herüber. Bleiben Sie hier. Wie heißt Ihr Vater?«
»Samuel«,
sagte Jerry.
»Lord Samuel«,
sagte Grant ebenso energisch wie unrichtig. »Wer ist er?« wandte sich Jerry an
Grant, nachdem der rundliche Tiu zu der lärmenden Chinesengruppe zurückgekehrt
war. »Kos Majordomo, Manager, Obergepäckträger, Flaschenwäscher, Makler. War
von Anfang an bei ihm. Im Krieg sind sie gemeinsam vor den Japanern getürmt.«
»Und sein
Obergorilla ist er auch«, dachte Jerry, als er Tiu mit seinem Herrn wieder
heranwatscheln sah. Grant fing erneut mit den Vorstellungen an. »Sir«, sagte
er, »das ist Westerby, dessen berühmter Vater, der Lord, eine ganze Menge sehr
langsamer Pferde, besaß. Er hat außerdem verschiedene Rennplätze für die
Buchmacher aufgekauft.«
»Welche
Zeitung?« fragte Ko. Seine Stimme war rauh und kräftig und tief, doch Jerry
hätte geschworen, zu seiner Überraschung die Spur eines nordenglischen Akzents
aufgeschnappt zu haben, der ihn an Old Pets Akzent erinnerte.
Jerry
sagte ihm, welche Zeitung.
»Das ist
das Blatt mit den Mädels«, krähte Ko vergnügt. »Ich hab das Blatt immer
gelesen, wenn ich in London war, während meines Aufenthaltes zwecks
Rechtswissenschaften am berühmten Gray's Inn of Court. Wissen Sie, warum ich
Ihr Blatt las, Mr. Westerby? Weil nämlich, wenn mehr Zeitungen hübsche Mädels
lieber drucken als Politik, haben wir jede Menge begründete Aussicht und
erleben noch eine bessere Welt, Mr. Westerby«, erklärte Ko in einer kräftigen
Mischung aus falscher Idiomatik und Behörden-Englisch. »Bitte sagen Sie das
Ihrer Zeitung von mir, Mr. Westerby. Diesen Rat geb ich Ihnen gratis.« Lachend
schlug Jerry sein Notizbuch auf. »Ich habe auf Ihr Pferd gesetzt, Mr. Ko. Wie
fühlt man sich als Gewinner?«
»Besser,
als wenn man verliert.«
»Nutzt
sich das Gefühl nie ab?«
»Mir
gefällt es von Mal zu Mal besser.«
»Gilt das
auch für Geschäfte?«
»Natürlich.«
»Kann ich
mit Mrs. Ko sprechen?«
»Sie ist
beschäftigt.«
Während er
kritzelte, stieg Jerry ein vertrauter Geruch in die Nase. Moschushaltige, sehr
intensiv duftende französische Seife, eine Mischung aus Mandeln und
Rosenwasser, Lieblingsseife einer früheren Ehefrau: aber offenbar auch des
gelackten Mr. Tiu, um seinen Reiz zu erhöhen.
»Wie
lautet Ihre Erfolgsformel, Mr. Ko?«
»Harte
Arbeit. Keine Politik. Viel Schlaf.«
»Sind Sie
jetzt sehr viel reicher als noch vor zehn Minuten?«
»Ich war
vor zehn Minuten auch hübsch reich. Sie können Ihrer Zeitung noch sagen, daß
ich den britischen Lebensstil sehr bewundere.«
»Obwohl
wir nicht hart arbeiten? Und viel Politik betreiben?«
»Sagen
Sie's ihnen«, sagte Ko stracks an ihn gewandt, und das war ein Befehl.
»Wieso
haben Sie soviel Glück, Mr. Ko?« Ko schien diese Frage nicht gehört zu haben,
doch sein Lächeln erlosch ganz allmählich. Er starrte Jerry geradewegs ins
Gesicht, maß ihn mit seinen sehr schmalen Augen, und seine Züge hatten sich
beträchtlich verhärtet.
»Wieso
haben Sie soviel Glück, Sir?« wiederholte Jerry. Langes Schweigen.
»Kein
Kommentar«, sagte Ko, wiederum direkt Jerry ins Gesicht. Die Versuchung, auf
der Frage zu beharren, war unwiderstehlich geworden: »Fair play, Mr. Ko«,
drängte Jerry und feixte kräftig. »Die Welt ist voll von Menschen, die davon
träumen, so reich zu sein wie Sie. Geben Sie ihnen doch einen Tip, ja? Wieso
haben Sie soviel Glück?«
»Das geht
Sie verdammt gar nichts an«, erklärte Ko, und ohne viel Federlesens wandte er
Jerry den Rücken und ging weg. Im gleichen Augenblick tat Tiu lässig einen
halben Schritt vorwärts, so daß er Jerry den Weg abschnitt, und legte ihm eine
weiche Hand auf den Oberarm.
»Werden
Sie das nächstemal auch wieder gewinnen, Mr. Ko?« rief Jerry dem sich entfernenden
Rücken über Tius Schulter hinweg nach.
»Das
sollten Sie das Pferd fragen, Mr. Wessby«, meinte Tiu mit pausbäckigem Lächeln.
Seine Hand lag noch immer auf Jerrys Arm.
Er hätte
den Rat ebensogut annehmen können, denn Ko stand bereits wieder bei seinem
Freund Mr. Arpego, und sie lachten und schwatzten wie zuvor. Drake Ko
war sehr harter Junge, erinnerte sich Jerry. Drake Ko
erzählt man kein Märchengeschichte. Tiu ist aber auch nicht
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