Carre, John le
einem
Rolls-Royce herumfährt. Eine amerikanische Bar in seinem chinesischen Garten,
und russisches Gold auf seinem Treuhandkonto. Alle diese umfassenden und widersprüchlichen
Einblicke alarmierten Jerry damals nicht im geringsten; sie waren nicht
Vorboten schlimmer oder paradoxer Ereignisse. Er sah sie vielmehr durch Kos
rücksichtsloses Bemühen zusammengeschweißt zu einem einzigen, aber
vielseitigen Mann, nicht unähnlich Old Sambo. Und noch nachdrücklicher hatte er
- in den wenigen Sekunden, die es andauerte - das unabweisbare Gefühl, in guter
Gesellschaft zu sein, etwas, das er schon immer geschätzt hatte. In stiller
Hochstimmung kehrte er zum Friedhofstor zurück, als hätte Jerry, nicht Ko, das
Rennen gewonnen. Erst als er wieder auf der Straße stand, fand er in die
Wirklichkeit zurück. Der Verkehr war lockerer geworden, und er fand sofort ein
Taxi. Sie waren etwa hundert Yards gefahren, als er Luke auf dem Bordstein
einsame Pirouetten drehen sah. Jerry lotste ihn in den Wagen und setzte ihn vor
dem Auslandskorrespondenten Club wieder ab. Im Furama-Hotel rief er Craws
Privatnummer an, ließ es zweimal klingeln, läutete nochmals an und hörte Craws
Stimme fragen: »Wer zum Teufel ist denn dort?« Er fragte nach einem Mr. Savage,
erntete ein gemeines Schimpfwort und die Auskunft, er habe die falsche Nummer
gewählt, ließ Craw eine halbe Stunde Zeit, ein anderes Telefon aufzusuchen und
ging dann hinüber zum Hilton, um auf den Rückruf zu warten.
Unser
Freund sei in persona aufgetaucht, berichtete Jerry ihm. Mittelpunkt der
Aufmerksamkeit, wegen eines gewaltigen Ge winns. Als es vorbei gewesen sei, habe
ihn eine sehr hübsche Blonde in ihrem Sportwagen mitgenommen. Jerry nannte die
Zulassungsnummer. Die beiden waren eindeutig befreundet, sagte er. Sehr
auffallend und höchst unchinesisch. Mindestens befreundet, würde er sagen. »Rundauge?«
»Natürlich
war sie ein Rundauge, und ob! Wer zum Teufel hat schon je gehört, daß . . .«
»Herrje«,
sagte Craw leise und legte auf, ehe Jerry Gelegenheit hatte, ihm von Klein
Nelsons Grabmal zu berichten.
Die Barone
tagen
Der
Warteraum im hübschen Tagungshaus des Foreign Office in Carlton Gardens füllte
sich langsam. Leute kamen zu zweien und dreien herein, ohne einander zur
Kenntnis zu nehmen, wie Trauergäste vor einem Begräbnis. An der Wand hing ein
Schild mit der Warnung: »Besprechen Sie keine vertraulichen Angelegenheiten«.
Smiley und Guillam hatten sich verzagt direkt darunter auf einer mit
lachsfarbenem Samt bezogenen Bank niedergelassen. Der Raum war oval und im
Rokoko-Stil des Arbeitsministeriums gehalten. Am bemalten Plafond machte
Bacchus Jagd auf ein paar Nymphen, die bedeutend williger waren, sich fangen zu
lassen, als Molly Meakin. An den Wänden standen leere Löscheimer, und zwei
Regierungs-Cerberusse bewachten den Zugang zu den inneren Räumlichkeiten. Vor
den geschwungenen Schiebefenstern erfüllte Herbstsonne den Park und hob jedes
einzelne Blatt scharf ab. Saul Enderby führte strammen Schritts das Kontingent
des Foreign Office herein. Guillam kannte ihn nur dem Namen nach. Er war früher
Gesandter in Indonesien gewesen, jetzt Ober-Pundit der Südostasien-Abteilung
und galt als entschiedener Verfechter des amerikanischen harten Kurses. Im
Schlepptau ein ergebener parlamentarischer Unterstaatssekretär, ein
Gewerkschafts-Protege und eine blühende, schmucke Gestalt, die sich auf
Zehenspitzen - Smiley näherte, die Hände waagerecht ausgestreckt, als überraschte
sie ihn bei einem Nickerchen.
»Kann das
wahr sein?« flüsterte er strahlend. »Wirklich? Wirklich ! George Smiley in
voller Pracht. Mein Lieber, Sie haben ja Pfunde verloren. Wer ist Ihr netter
Junge. Nichts sagen. Peter Guillam. Ich weiß alles von ihm. Gänzlich unverdorben
vom Mißerfolg, heißt es.«
»O nein!«
rief Smiley unwillkürlich. »O Himmel, Roddy.«
»Was
meinen Sie mit: >0 nein. O
Himmel, Roddy<,« fragte Martindale völlig ungerührt im gleichen leisen
Vibrato. »O ja, meinen Sie
wohl! >Ja, Roddy. Gottvoll, Sie zu sehen, Roddy !< Hören Sie zu. Ehe das
Pack anrückt. Was macht die hinreißende Ann? Nur für meine Ohren. Kann ich für
Sie beide ein Dinner geben? Sie sollen die Gäste wählen. Wie wäre das? Und, ja, ich stehe auf der Liste, falls das Ihr kleines Rattenhirn
beunruhigen sollte, junger Peter Guillam, ich bin aufgerückt, ich bin eine
große Nummer, unsere neuen Herren beten mich an. Sollten sie auch, nach all dem
Wirbel, den ich
Weitere Kostenlose Bücher