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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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einem eingedrückten Kiefer wie ein Ringer. Er
war auch der Trainer von Lucky Nelson. Er saß allein und beobachtete, wie Jerry
vermutete, eine Tür, die er selbst von seinem Standort aus nicht sehen konnte.
Ein jähes Getümmel von den Tribünen her veranlaßte Jerry, mit einem Ruck gegen
die Sonne zu blicken. Gebrüll erscholl, dann ein schriller, erstickter
Aufschrei, als die Menge auf einem Rang ins Schwanken geriet und ein Stoßtrupp
grauer und schwarzer Uniformen sich rücksichtslos Bahn brach. Eine Sekunde
später, und ein Schwarm von Polizisten zerrte irgendeinen armseligen
Taschendieb, blutend und hustend, in den Tunneldurchgang zwecks Ablegung eines
freiwilligen Geständnisses. Geblendet wandte Jerry den Blick wieder dem dunklen
Inneren des Sattelplatzes zu, und es dauerte ein wenig, ehe er die verschwommene
Gestalt von Mr. Drake Ko unterscheiden konnte. Die Identifizierung war
keineswegs direkt. Der erste Mensch, den Jerry sehen konnte, war nicht etwa Ko,
sondern der junge chinesische Jockey, der neben dem alten Sacha stand, ein
hochgewachsener Junge, spindeldürr, wo die seidene Jacke in die Breeches
gestopft war. Er schlug mit der Reitgerte gegen seine Stiefel, als hätte er das
einem englischen Reiterbild abgeguckt, und er trug Kos Farben (»himmelblau und
meergrau geviertelt« besagte der Artikel im Goldenen
Orient), und der kleine Sacha starrte auf etwas, das Jerry nicht
sehen konnte. Als nächstes kam, unterhalb der Galerie, auf der Jerry stand, ein
brauner Junghengst, den ein kichernder fetter Mafu im dreckigen grauen Overall
führte. Die Startnummer war unter einer Decke verborgen, aber Jerry kannte das
Pferd bereits vom Foto, und jetzt kannte er es noch weit besser: er kannte es
sogar sehr gut. Es gibt Pferde, die einfach besser sind als ihre Klasse, und in
Jerrys Augen war Lucky Nelson ein solches Pferd. Nicht ohne, dachte er, gute
Kopfhaltung, ein feuriges Auge. Keiner von diesen halbgaren Braunen mit heller
Mähne und hellem Schweif, denen bei jedem Rennen die Stimmen der Damen gehören:
wenn man die hier übliche Form bedenkt, die durch das Klima schwer reduziert
ist, war Lucky Nelson ebenso in Ordnung wie jedes andere Pferd am Platz. Davon
war Jerry überzeugt. Einen mißlichen Augenblick lang hatte er für die Kondition
des Pferdes gefürchtet: es schwitzte, zu glänzend an Flanken und Kruppe. Dann
sah er sich nochmals das feurige Auge an und die ein wenig unnatürlich
verlaufenden Schweißstreifen, und seine gute Laune kehrte zurück: dieser
schlaue Teufel hat es mit dem Schlauch abspritzen lassen, damit es mies
aussieht, dachte er in heiterem Angedenken an Old Sambo.
    So kam es,
daß Jerry erst zu diesem späten Zeitpunkt den Blick von dem Pferd zu seinem
Besitzer wandte.
    Mr. Drake
Ko, O. B. E., Empfänger bis dato einer schlanken halben Million russischer
US-Dollar, eingestandenermaßen Anhänger von Tschiang Maoschek, stand von allen
anderen abseits, im Schatten einer weißen Betonsäule von zehn Fuß Durchmesser:
eine häßliche, aber harmlose Erscheinung auf den ersten Blick, groß, leicht
gebeugt, was berufsbedingt sein konnte: Zahnarzt oder Flickschuster. Er war
nach englischer Art gekleidet, formlose graue Flanellhose und schwarzer
doppelreihiger Blazer, der in der Taille zu lang war, wodurch die
unproportionierten Beine noch betont wurden und der magere Körper
verschrumpfelt wirkte. Gesicht und Nacken waren glänzend wie altes Leder und
ebenso haarlos, und die vielen Falten sahen aus wie scharf plissiert. Sein
Teint war dunkler, als Jerry erwartet hatte: sah fast nach einem Schuß Araber-
oder Inderblut aus. Er trug die gleiche unpassende Kopfbedeckung wie auf dem
Foto, eine dunkelblaue Baskenmütze, und die Ohren standen darunter hervor wie
Marzipanrosen. Seine sehr schmalen Augen wurden durch den Druck der Mütze noch
mehr in die Länge gezogen. Braune italienische Schuhe, weißes Hemd, am Kragen
offen. Keine Requisiten, nicht einmal einen Feldstecher: aber ein wundervolles
Halb-Millionen-Dollar-Lächeln, von einem Ohr zum anderen, zum Teil in Gold,
offensichtlich erfreut über jedermanns Glück und Wohlstand, einschließlich
seines eigenen.
    Nur: da
war ein gewisses Etwas - manche Menschen haben es, es ist wie eine elektrische
Spannung: Oberkellner, Portiers, Journalisten erkennen es auf den ersten
Blick; Old Sambo hatte es beinah gehabt -,
ein Etwas, das sofort verfügbare Mittel verriet. Sollte irgend etwas benötigt
werden, so würden unsichtbare Geister es im Handumdrehen

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