Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)
es ist eine Scharade.
Es bedeutet gar nichts.«
D'Arcy
lächelte schwach.
»Ich kann
nicht glauben, mein lieber Terence, daß jemand, der eine so exzellente Tafel
hält wie du, eine so niedrige Meinung von den Verfeinerungen gesellschaftlichen
Verhaltens haben kann.« Er blickte hilfeheischend zu Smiley hinüber, und
dieser echote pflichtgemäß das Kompliment. »Außerdem kennen wir in Carne
Terence von jeher. Leider sind wir an sein Gebrüll gewöhnt.«
»Ich weiß,
warum du diese Frau nicht leiden konntest, Felix. Sie wahr ehrlich, und Carne
hat keine Abwehr gegen diese Art von Ehrlichkeit.«
D'Arcy
wurde plötzlich sehr zornig: »Terence, ich will nicht, daß du das sagst. Ich
will's einfach nicht haben. Ich empfinde eine gewisse Pflicht gegenüber Carne,
wie wir ja alle, jene Normen des Benehmens wiederherzustellen und
aufrechtzuerhalten, die im Krieg so traurig gelitten haben. Ich bin mir bewußt,
daß mich diese Entschlossenheit bei mehr als einer Gelegenheit unbeliebt
gemacht hat. Aber die Stellungnahme oder der Rat, den ich anbiete, ist nie -
ich bitte, das zu bemerken - gegen irgendeine Person gerichtet, nur gegen
Benehmen, gegen unziemliche Entgleisungen im Verhalten. Ich will zugeben, daß
ich mehr als einmal genötigt war, mit Rode über das Thema des Verhaltens seiner
Frau zu sprechen. Das ist eine vom Persönlichen ganz getrennte Sache, Terence.
Ich will nicht, daß gesagt wird, ich hätte Mrs. Rode nicht gemocht. Eine solche
Unterstellung wäre zu jeder Zeit unangenehm, aber unter den augenblicklichen
Umständen ist sie beklagenswert. Mrs. Rodes eigenes ... Milieu und ihre
Erziehung bereiteten sie natürlich nicht auf unsere Lebensart vor; das ist
eine ganz andere Sache. Es unterstreicht jedoch, was ich hervorheben möchte,
Terence: es war eine Frage der Aufklärung, nicht der Kritik. Drücke ich mich
klar aus?«
»Außerordentlich«,
erwiderte Fielding trocken.
»Mochten
die anderen Frauen sie denn?« versuchte es Smiley.
»Nicht
unbedingt«, antwortete D'Arcy kurz.
»Die
Frauen! Mein Gott!« stöhnte Fielding und legte die Hand an die Stirn. Eine
Pause trat ein.
»Ihre
Kleider waren, glaube ich, für einige eine Quelle von Pein. Außerdem
frequentierte sie die öffentliche Wäscherei. Auch das machte keinen günstigen
Eindruck. Ich sollte hinzufügen, daß sie unsere Kirche nicht besuchte...«
»Hatte sie
unter den Frauen irgendwelche enge Freundinnen?« fuhr Smiley hartnäckig fort.
»Ich
glaube, die junge Mrs. Snow schloß sich ihr an.«
»Und Sie
sagen, sie war zum Essen hier an dem Abend, als sie ermordet wurde?«
»Ja«,
erwiderte Fielding ruhig, »Mittwoch. Und Felix und seine Schwester nahmen den
armen Rode hinterher bei sich auf...« Er warf einen raschen Blick auf D'Arcy.
»Ja,
natürlich«, sagte D'Arcy kurz. Sein Blick ruhte auf Fielding, und Smiley schien
es, daß sie einander etwas mitgeteilt hatten. »Wir werden es nie vergessen,
nie... Terence, wenn ich einen Augenblick fachsimpeln darf; Perkins'
Satzkonstruktionen sind bodenlos schlecht; ich erkläre, daß ich nie ähnliche
Arbeiten gesehen habe. Ist er krank? Seine Mutter ist eine sehr kultivierte
Frau, eine Kusine der Samfords, hat man mir gesagt.«
Smiley sah
ihn an und überlegte. Seine Smokingjacke war verschossen, grün vor Alter.
Smiley konnte ihn fast sagen hören, sie habe seinem Großvater gehört. Seine
Gesichtshaut war so faltenlos, daß er irgendwie fettleibig wirkte, ohne dick zu
sein. Seine Stimme war auf einen einschmeichelnden Ton festgesetzt, und er
lächelte immerzu, ob er sprach oder nicht. Das Lächeln schwand nie aus seinem
glatten Gesicht, es war in die knetbare Masse seines Fleisches eingearbeitet,
streckte die Lippen über seine makellosen Zähne und öffnete die Winkel seines
roten Mundes, so daß es schien, als werde es von den unsichtbaren Fingern
seines Zahnarztes festgehalten. Dennoch war D'Arcys Gesicht alles andere als
ausdruckslos; jedes Merkmal zeigte sich. Die kleinste Regung seines Mundes
oder seiner Nase, der flüchtigste Blick, das geringste Stirnrunzeln waren da,
um gelesen und gedeutet zu werden. Und er wollte vom Thema ablenken. Nicht von
Stella Rode (denn einen Augenblick später diskutierte er selbst sie wieder),
aber von dem bestimmten Abend, an dem sie starb, von der genauen Schilderung
der Ereignisse. Mehr noch: Smiley zweifelte nicht daran, daß Fielding es
ebenfalls bemerkt hatte, daß in dem Blick, den sie gewechselt hatten, ein Pakt
der Furcht enthalten war, vielleicht
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