Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)
konfuse
Geschichte; die Postverwaltung würde sie gerichtlich belangen, die Polizei sei
dagewesen, und ich weiß nicht, was sonst noch. Jedenfalls sagte sie, der Hund
könne sie doch nicht wirklich schützen, nur warnen. Sie hatte zu Harriman
gesagt: >Er wäre zu nichts nütze.<«
»War sie
über den Verlust des Hundes nicht unglücklich?« fragte Smiley.
»O doch,
ja. Harriman sagte, sie sei bei ihrer Ankunft in Tränen gewesen. Mrs. Harriman
mußte ihr eine Tasse Tee machen. Sie schlugen vor, sie solle dem Hund doch noch
eine Chance geben, ihn für einige Zeit in einen Zwinger tun, aber sie blieb
unnachgiebig, ganz unnachgiebig. Harriman war sehr verblüfft. Auch seine Frau.
Als sie es hinterher besprachen, stimmten sie darin überein, daß Mrs. Rodes
Verhalten nicht ganz normal gewesen war. Wirklich gar nicht normal. Eine
weitere merkwürdige Tatsache war der Zustand des Hundes: er war mißhandelt
worden, sehr ernstlich. Sein Rücken war wie von Schlägen gezeichnet.«
»Ging
Harriman auf ihre Bemerkung ein? Daß der Hund zu nichts nütze sei? Was hielt er
davon?« Smiley beobachtete D'Arcy gespannt.
»Sie
wiederholte sie gegenüber Mrs. Harriman, aber sie wollte sie nicht näher
erklären. Ich glaube jedoch, die Erklärung liegt auf der Hand.«
»Oh?«
sagte Fielding.
D'Arcy
legte den Kopf zur Seite und zupfte sich geziert am Ohrläppchen. »Wir alle
haben ein wenig von einem Detektiv in uns«, sagte er. »Dorothy und ich
besprachen es nach dem - Tod. Wir kamen zu dem Schluß, daß Stella Rode, ehe sie
nach Carne kam, irgendwo eine anstößige Verbindung eingegangen war, die sie
neuerdings wieder aufgenommen hat... möglicherweise gegen ihren Willen.
Irgendein gewalttätiger Wüstling - ein alter Bewunderer-, dem die Verbesserung
ihrer Stellung zuwider war.«
»Wie arg
wurde denn der Briefträger von dem Hund gebissen?«
D'Arcy
wandte sich wieder zu ihm.
»Das ist
ja das Erstaunliche, der springende Punkt der Geschichte, verehrter Herr: Der
Briefträger war gar nicht gebissen worden. Dorothy hat sich erkundigt, Ihre
ganze Erzählung war von Anfang bis zum Ende eine einzige Lügenkette.«
Sie
standen vom Tisch auf und gingen in Fieldings Studierzimmer, wo Miss Truebody
den Kaffee serviert hatte. Die Unterhaltung bewegte sich weiterhin um die
Tragödie des Mittwochs. D'Arcy war besessen von der Gewöhnlichkeit der
Begleitumstände - der Hartnäckigkeit der Journalisten, der Gefühllosigkeit der
Polizei, der Ungewißheit von Mrs. Rodes Herkunft, dem Mißgeschick ihres Mannes.
Fielding war immer noch merkwürdig schweigsam, in seine Gedanken versunken, aus
denen er gelegentlich auftauchte, um D'Arcy mit einem feindseligen Blick zu
mustern. Um genau Viertel vor elf erklärte D'Arcy, er sei müde, und alle drei
gingen in die große Halle, wo Miss Truebody einen Mantel für Smiley und Mantel,
Schal und Kappe für D'Arcy bereithielt. Fielding nahm D'Arcys Dank mit einem
mürrischen Nicken entgegen. Er wandte sich an Smiley:
»Die
Sache, wegen der Sie mich anriefen. Worum handelt es sich genau?«
»Oh - ein
Brief von Mrs. Rode, unmittelbar bevor sie ermordet wurde«, sagte Smiley vage,
»die Polizei bearbeitet ihn jetzt, aber sie betrachtet ihn nicht als...
bedeutsam. Keineswegs als bedeutsam. Sie scheint an einer Art von« - er lächelte
verwirrt - »Verfolgungswahn gelitten zu haben. Nennt man es so? Jedenfalls,
wir müssen uns einmal darüber unterhalten. Sie müssen mit mir im >Sawley
Arms< essen, bevor ich zurückfahre. Kommen Sie eigentlich nie nach London?
Wir könnten uns vielleicht in London treffen, am Semesterende.«
D'Arcy stand im Türeingang und
betrachtete den Neuschnee, der weiß und makellos auf dem Pflaster vor ihm lag.
»Ah«, sagte er mit einem kleinen
wissenden Lachen, »die langen Nächte, Terence, die langen Nächte.«
STECHPALMEN FÜR DEN TEUFEL
»Was sind
denn die langen Nächte?« fragte Smiley, als er und D'Arcy rasch von Fieldings
Haus durch den Neuschnee zum Abteihof gingen.
»Wir haben
ein Sprichwort, daß es in Carne immer in den langen Nächten schneit. Das ist
hier die traditionelle Bezeichnung für die Fastennächte«, antwortete D'Arcy.
»Vor der Reformation hielten die Mönche der Abtei eine Vigil während der
Fastenzeit zwischen den Offizien des Abends und Morgens. Sie wissen das
vielleicht schon. Da kein religiöser Orden mehr mit der Abtei verbunden ist,
ist man von der Übung abgekommen. Wir fahren aber fort, sie zu beachten, indem
wir die Komplet
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