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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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mich gehen lassen.«
    »Haben Sie denn nicht gefragt?«
    »Nein.«
    »Das
sollten Sie doch lieber tun. Ich habe Neuigkeiten für Sie. Ich weiß nicht, was
es bedeutet, aber etwas bedeutet es.«
    »Na also«,
sagte Guillam, »alle haben Neuigkeiten für alle. Fabelhaft. George hat sich
gerade meine Familienbilder angesehen.« Er hob die grüne Mappe. »Und er erkennt
alle seine alten Busenfreunde.«
    Mendel kam
sich verspottet und auf die Seite geschoben vor. Smiley tröstete ihn: »Ich
werde Ihnen morgen abend alles beim Dinner erzählen. Ich muß morgen früh hier
raus, ganz gleich, was sie sagen. Ich glaube, wir haben den Mörder gefunden und
noch eine Menge andere Sachen so nebenbei. Also, was haben Sie zu berichten?«
In seinen Augen war kein Triumph. Nur Eifer.
     
    Die
Mitgliedschaft in dem Klub, zu dem Smiley gehörte, wurde von den Leuten, die
die Spalten von »Wer ist wer?« zieren, nicht gerade zu den erstrebenswertesten
Errungenschaften gezählt, eher zu den drittklassigen. Er wurde von einem jungen
Renegaten des Junior-Carlton-Klubs namens Steed-Asprey gegründet, den der
Sekretär dieses Klubs verwarnt hatte, weil er in Hörweite eines
südafrikanischen Bischofs gotteslästerliche Reden führte. Er überredete seine
ehemalige Zimmerfrau aus Oxford, ihr ruhiges Heim in Hollywell zu verlassen und
am Manchester Square zwei Zimmer und einen Keller zu übernehmen, die ihm ein
begüterter Verwandter zur Verfügung gestellt hatte. Seinerzeit hatte der Klub
vierzig Mitglieder gehabt, die jeder fünfzig Pfund im Jahr zahlten. Es waren
noch einunddreißig am Leben. Es gab keine Damen und keine Regeln, keinen
Sekretär und keine Bischöfe. Man konnte Sandwiches nehmen und eine Flasche Bier
kaufen, auch Sandwiches nehmen und gar nichts dazu kaufen. Solange man einigermaßen
nüchtern war und sich nicht in die Angelegenheiten anderer mischte, kümmerte
sich kein Mensch darum, was man anhatte, was man machte oder wen man
mitbrachte. Mrs. Sturgeon hantierte nicht mehr an der Bar oder brachte einem
das Kotelett auf den Tisch im Keller vor dem Kaminfeuer, sondern regierte in
heiterer Behaglichkeit über die Tätigkeit von zwei pensionierten Feldwebeln
eines kleinen Grenzregiments.
    Natürlicherweise
hatten die meisten der Mitglieder zur gleichen Zeit wie Smiley in Oxford
studiert. Man hatte darin immer übereingestimmt, daß der Klub nur für eine
Generation sein sollte, daß er zusammen mit seinen Mitgliedern alt werden und
sterben sollte. Der Krieg hatte mit Jebedee und anderen seinen Tribut
verlangt, aber nie hatte jemand angeregt, man solle neue Mitglieder aufnehmen.
Im übrigen gehörte das Haus jetzt ihnen, für Mrs. Sturgeons Alter hatte man
gesorgt, und der Klub war solvent.
    Es war an
einem Samstagabend, und nur ein halbes Dutzend Mitglieder waren anwesend.
Smiley hatte ihr Essen bestellt, und im Keller war für sie ein Tisch gedeckt.
In einem gemauerten Kamin brannte ein helles Kohlenfeuer. Sie waren allein und
hatten Filet de boeuf und Rotwein. Draußen regnete es ununterbrochen.
Alle drei fanden die Welt an diesem Abend ruhig und ganz erträglich, obwohl sie
ein merkwürdiges Geschäft zusammengeführt hatte.
    »Damit
das, was ich Ihnen erzählen will, verständlich sein soll«, begann Smiley endlich,
wobei er sich hauptsächlich an Mendel wandte, »muß ich Ihnen zunächst
ausführlich von mir erzählen. Ich bin von Beruf Beamter des Geheimen
Nachrichtendienstes, wie Sie wissen, schon seit ewigen Zeiten, und bevor noch
das Tauziehen um die Macht mit Whitehall begann. Damals hatten wir zuwenig
Leute und waren schlecht bezahlt. Nach der üblichen Lehrzeit und der Bewährungszeit
in Südamerika und Mitteleuropa bekam ich eine Stelle als Lektor an einer
Universität in Deutschland und sollte begabte junge Deutsche ausfindig machen,
die als potentielle Agenten in Frage kamen.« Er hielt inne, lächelte Mendel zu
und sagte: »Sie entschuldigen den Fachausdruck.« Mendel nickte feierlich, und
Smiley fuhr fort. Es war ihm klar, daß er etwas hochtrabend sprach, und er wußte
nicht, wie er dem ausweichen sollte.
    »Es war
kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, damals eine schreckliche Zeit in Deutschland,
wo eine wahnsinnige Intoleranz losgebrochen war. Es wäre Irrsinn gewesen, sich
persönlich jemandem zu nähern. Meine einzige Chance war, ein so unbeschriebenes
Blatt zu sein, wie ich konnte, politisch und gesellschaftlich farblos, und die
Kandidaten, die sich für eine Anwerbung eigneten, durch andere weiterleiten

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