Carries ruhmreichen Tage
Himmel.
Carrie glaubt zumindest es wäre so, bis Alain das Auto anhält und mit einem der Vorarbeiter spricht. Da ist Reserviertheit aber ebenso ein Gewohnheitsmäßiger Umgang zwischen Beiden zu sehen. In der Tat wäre Carrie niemals in den Sinn gekommen, daß sie im Haus einer dieser Bauernfamilien zu Mittag essen könnten. Ein Haus. Ein riesiges Haus, das die Hinterlassenschaft einer alten adeligen Familie sein könnte, die angesichts ihrer noch volleren Geldschränke entschieden hatte, sich eine Villa zu bauen und diese alte Reliquie der Macht ihren loyalsten Untertanen zu überlassen.
Alain übernimmt die Vorstellung dieses herben Typs und seiner rotwangigen Frau. Sie wirbeln die Kinder durch die Luft. Dann zünden sie den Kamin an, nur um das Essen zu kochen, was voraussichtlich nach verbranntem riechen und nach vulkanischen Elementen schmecken wird. Und Honig, ein paar Rippenstücke mit Honig, das ist das Mittagessen. Später noch Wein des Hauses, der mit Händen und Füßen hergestellt wurde. Ein unverkäuflicher Wein, den Alain für gewöhnlich abholt, um ihn an Bekanntschaften höherer Abstammung zu verschenken. Mit dem Mysterium, daß niemals jemand herausfinden wird, wo dieser beste handgemachte Nektar Frankreichs eigentlich herstammt.
» Schau mal Carrie, das ist mein Urgroßvater. « Er zeigt auf diesen Typ, der das Wohnzimmer dominiert. In einem hellen Rahmen, eine Art Monarch im Taschenformat, der sich mit dem Weideplatz im Hintergrund porträtieren ließ. Es sind außerdem noch zwei Hunde und ein Jagdgewehr abgebildet. » Das hier war sein Haus..... «
Man konnte es schon ahnen. Carries Sinne sind geschwächt aber ihre Intuition funktioniert noch immer. Diese Leute bewahren noch weitere familiäre Schätze auf, wie diese alten Kleider, die Waffen, die Werkzeuge, die primitiven Schlafzimmer vom Clan der Fortuny.... Es ist alles dort, in einem oben gelegenen Raum, der das komplette Dach für sich in Anspruch nimmt. Es gibt dort einen gewaltigen Schrank, von der Größe eines Elefanten. Er ist aus Holz geschnitzt und sieht aus, als wenn er gepanzert wäre. Dann sind da noch Truhen, in denen sich Säbel, altes Geld und Fotoalben von Leuten zwischen Nebelflecken, Toten und Witwen, vielen Witwen befinden. Carrie weiß nicht, was sie davon halten soll aber ihre Neugier läßt sie sogar in Dingen stöbern, in denen ihre Nase eigentlich nichts verloren hat. Nachdem sie unter anderem auch einige Liebesbriefe gelesen hat, holt sie aus einer Kiste ein Brautkleid hervor.
» Es ist hübsch « , sagt sie. Unbesonnen hält sie es sich an und betrachtet sich in einem mit Blattgold eingefassten Standspiegel. » Die Urgroßmutter? « , fragt sie.
» Und noch einige mehr. Einige Generation wurden in diesem Kleid vermählt. «
» Das klingt nach Leichen... « , bemerkt Carrie. Alain überkommt wieder dieses seltsame Gefühl von Missfallen und Unstimmigkeit. Ja, Carrie ist seltsam. Er möchte mit ihr zusammen sein, aber, jetzt schon zum zweiten mal, würde es ihm nichts ausmachen, sie an der Gurgel zu packen.
» Jetzt sind andere Sachen in Mode «, führt er an.
» Glaub das nicht. Ich habe geschmacklose Leute gesehen, die schlimmere Dinge getragen haben. Sieh mal, das hier gefällte mir « , und greift nach einem Hut aus der Epoche. Sieht aus wie ein Rebhuhn mit Weihnachtsschleifchen. Sie zieht ihn auf und posiert ein wenig vor dem Spiegel. » Absurd « , lacht sie.
Alain sieht sie dabei an. Sie sind alleine....
– Noch ein Schäferstündchen...? Denk nicht mal daran. –
Und Carrie wirft den Hut in die Truhe, in der sie ihn fand. Sie läßt den Deckel durch sein Eigengewicht von oben zufallen. Es klingt wie eine „zuschlagende Tür“ und Staub rieselt von der Decke.
» Lass uns von hier verschwinden, bevor wir noch Rheuma bekommen. «
» Ja klar. «
* * *
Er wollte nicht mit ihr schlafen. Carrie wird das bewußt, als Alain den Anschein erweckt, nicht mehr anwesend zu sein. Er schweigt, während der Fahrt. Er wirkt planlos. Zumindest nimmt Carrie es, enttäuscht und mit Unbehagen, so wahr.
» Na, hast du in Indien gefunden, was du wolltest? « , fragt sie ihn. Carrie räkelt sich im Sitz, als wäre es eine Couch.
Alain betrachtet sie einige Augenblicke lang und schaut dann wieder auf die Straße zurück. Er denkt, daß die Frage seiner Fantasie entsprungen sei.
» Nun.... Nein, ich denke nicht. Oder vielleicht doch, wenn man nicht findet, was man möchte. «
» Was hast du gemacht, Joga und
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