Carte Blanche - Ein Bond-Roman
zwischen den Paletten verstecken, bei denen Jordaan ihn befragt hatte. Er wartete wohl auf mehr Sperrfeuer.
Geduckt arbeitete Bond sich bis dorthin vor. Der Mann würde jeden Augenblick die Flucht ergreifen, geschützt durch Dunne und womöglich andere loyale Wachen.
Und James Bond würde nicht zulassen, dass das passierte.
Er hörte Gregory Lamb flüstern: »Ist es wieder sicher?«, konnte ihn aber nicht sehen. Dann wurde ihm klar, dass der Mann in einen vollen Müllcontainer gehechtet war.
Bond musste weiter. Auch wenn das bedeutete, dass er sich zum Ziel für Dunnes Präzisionsgewehr machte, er würde Hydt nicht entkommen lassen. Bheka Jordaan durfte nicht umsonst gestorben sein.
Mit schussbereiter Waffe lief er in die dunkle Gasse zwischen den hohen Paletten voller Ölfässer.
Und erstarrte. Severan Hydt würde nirgendwohin mehr fliehen. Der Lumpensammler, der visionäre König des Zerfalls, der Herr der Entropie lag auf dem Rücken. Er hatte zwei Schusswunden in der Brust und eine dritte in der Stirn. Ein beträchtlicher Teil seines Hinterkopfes fehlte.
Bond steckte die Pistole weg. Die Soldaten um ihn herum kamen aus der Deckung. Einer rief, der Heckschütze habe seine Position verlassen und sich zurückgezogen.
Dann ertönte hinter ihm plötzlich ein barscher Aufschrei, eine Frauenstimme: »Sihlama!«
Bond fuhr herum und sah Bheka Jordaan aus dem Graben kriechen. Sie wischte sich das Gesicht ab und spuckte Blut. Ihr war nichts geschehen.
Dunne hatte entweder komplett danebengeschossen oder es auf seinen Boss abgesehen gehabt. Das Blut stammte von Hydt – es war auf Jordaan gespritzt, die dicht neben ihm gestanden hatte.
Bond zog sie hinter die Ölfässer in Deckung. Der widerwärtige Kupfergeruch des Blutes stieg ihm in die Nase. »Dunne ist noch irgendwo da draußen.«
»Sind Sie in Ordnung, Captain?«, rief Nkosi.
»Ja, ja.« Sie winkte ab. »Was ist mit Hydt?«
»Der ist tot«, sagte Bond.
»Masende!« , fluchte sie.
Nkosi grinste breit.
Jordaan zog die Bluse aus – unter der sie eine Schutzweste über einem schwarzen Baumwoll-T-Shirt trug – und wischte sich Gesicht, Hals und Haare damit ab.
Einer der Beamten meldete sich über Funk von der Hügelkette: Der Schütze war weg. Weshalb hätte Dunne auch bleiben sollen? Er hatte sein Ziel erreicht.
Bond musterte ein weiteres Mal die Leiche. Die eng beieinanderliegenden Treffer bedeuteten wohl tatsächlich, dass Hydt das beabsichtigte Ziel gewesen war. Und es ergab auch einen Sinn: Dunne hatte sicherstellen wollen, dass der Mann ihn nicht an die Polizei verriet. Bond erinnerte sich nun an manch finsteren Blick, den Dunne seinem Boss während der letzten Tage zugeworfen hatte. Es hatte Verärgerung darin gelegen, Unmut. Fast schon Missgunst. Vielleicht steckte noch etwas anderes hinter der Ermordung des Lumpensammlers, etwas Persönliches.
Aber was auch immer der Anlass gewesen sein mochte – Dunne hatte den Job mit der üblichen Gründlichkeit erledigt.
Jordaan eilte in das Bürogebäude. Zehn Minuten später kehrte sie zurück. Sie hatte irgendwo eine Dusche oder einen Wasserhahn gefunden; ihr Gesicht und Haar waren feucht und weitgehend blutfrei. Sie war wütend auf sich selbst. »Ich habe meinen Gefangenen verloren. Ich hätte ihn besser bewachen müssen. Ich hätte nie gedacht …«
Ein schauriges Aufheulen unterbrach sie. Jemand rannte an ihr vorbei. »Nein, nein, nein …«
Es war Jessica Barnes. Sie fiel neben Hydts Leichnam auf die Knie und barg seinen Kopf in den Armen, ungeachtet der grotesken Wunden.
Bond trat vor, packte ihre schmalen zitternden Schultern und half ihr auf. »Nein, Jessica. Kommen Sie mit mir hier rüber.« Er führte sie hinter einen Bulldozer. Bheka Jordaan gesellte sich hinzu.
»Er ist tot, er ist tot …« Jessica vergrub ihr Gesicht an Bonds Schulter.
Bheka Jordaan nahm ihre Handschellen aus dem Futteral. »Sie hat versucht, mir zu helfen«, erinnerte Bond sie. »Sie wusste nichts von Hydts Machenschaften, da bin ich mir sicher.«
Jordaan steckte die Handschellen wieder ein. »Sie fährt mit uns zur Zentrale und gibt ihre Aussage zu Protokoll. Ich schätze, dabei können wir es bewenden lassen.«
Bond löste sich von Jessica und fasste sie bei den Schultern. »Danke, dass Sie mir geholfen haben. Ich weiß, es war schwierig.«
Sie atmete tief durch und beruhigte sich ein wenig. »Wer war es?«, fragte sie. »Wer hat ihn erschossen?«
»Dunne.«
Sie schien nicht überrascht zu sein. »Ich habe
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