Carte Blanche - Ein Bond-Roman
ihn nie gemocht. Severan war leidenschaftlich, impulsiv. Er hat die Dinge nie durchdacht. Niall hat das erkannt und ihn mit all seinen schlauen Plänen in Versuchung geführt. Ich hielt ihn nicht für vertrauenswürdig. Aber mir hat immer der Mut gefehlt, etwas zu sagen.« Sie schloss kurz die Augen.
»Dafür hat Ihr Gebet gut funktioniert«, sagte Bond.
»Zu gut«, flüsterte sie.
An Jessicas Wange und Hals klebte Hydts dunkles Blut. Bond wurde bewusst, dass er zum ersten Mal Farbe an ihr sah. Er blickte ihr in die Augen. »Ich kenne ein paar Leute, die Ihnen helfen können, wenn Sie nach London zurückkehren. Man wird sich bei Ihnen melden. Ich kümmere mich darum.«
»Danke«, murmelte Jessica.
Eine Polizistin führte sie weg.
»Jetzt alles klar?«, fragte urplötzlich jemand in der Nähe und ließ Bond zusammenzucken.
Er runzelte die Stirn, denn er konnte den Sprecher nirgendwo entdecken. Dann begriff er. Gregory Lamb steckte immer noch in dem Container. »Ja, alles klar.«
Der Agent kroch aus seinem Versteck.
»Achten Sie auf das Blut«, warnte Bond, als Lamb beinahe in welches trat.
»O mein Gott!«, murmelte er und sah aus, als würde ihm schlecht werden.
Bond ignorierte ihn. »Ich muss wissen, wie weit Gehenna reicht«, sagte er zu Jordaan. »Können Ihre Leute sämtliche Akten und Computer der Forschungs- und Entwicklungsabteilung sicherstellen? Und Ihre Computerspezialisten müssten die Passwörter für mich knacken.«
»Ja, natürlich. Wir lassen alles in unser Büro bringen. Dort steht es dann zu Ihrer Verfügung.«
»Ich regele das, Commander«, sagte Nkosi.
Bond dankte ihm. Das runde Gesicht des Mannes wirkte nicht mehr so fröhlich und unbekümmert wie zuvor. Bond nahm an, dass dies sein erster Schusswechsel gewesen war. Eine solche Erfahrung war einschneidend, doch nach allem, was Bond hier sah, würde der junge Beamte nicht darunter leiden, sondern gestärkt aus ihr hervorgehen. Nkosi winkte einige Beamte der Spurensicherung zu sich und führte sie in das Gebäude.
Bond schaute zu Jordaan. »Darf ich Sie etwas fragen?«
Sie sah ihn an.
»Was haben Sie gesagt? – Als Sie aus dem Graben gekrochen sind, haben Sie etwas gesagt.«
Dank ihrer Hautfarbe war schwer zu erkennen, ob sie errötete. »Aber verraten Sie’s nicht Ugogo.«
»Versprochen.«
»Das erste Wort war Zulu für … ich schätze, auf Englisch würden Sie ›Scheiße‹ sagen.«
»Da könnte ich auch ein paar Varianten beisteuern. Und das andere Wort?«
Sie warf ihm einen verstohlenen Blick zu. »Ich glaube, das werde ich Ihnen nicht verraten, James.«
»Warum nicht?«
»Weil es sich auf einen bestimmten Teil der männlichen Anatomie bezieht … und ich es für unklug halte, Sie in dieser Hinsicht zu ermutigen.«
63
Es war Nachmittag, und die Sonne senkte sich allmählich gen Nordwesten. James Bond fuhr vom Table Mountain Hotel, wo er geduscht und sich umgezogen hatte, zur Polizeizentrale von Kapstadt.
Als er eintrat und Jordaans Büro ansteuerte, fiel ihm auf, dass er von zahlreichen Augenpaaren angestarrt wurde. Dies war auch bei seinem ersten Besuch vor einigen Tagen schon so gewesen, aber die Mienen der Leute zeugten nicht länger von Neugier, sondern von Bewunderung. Vielleicht hatte sich herumgesprochen, welche Rolle er bei der Vereitelung von Severan Hydts Plan gespielt hatte. Oder wie er mit einer einzigen Kugel zwei Gegner ausgeschaltet und eine Mülldeponie in die Luft gejagt hatte, was keine geringe Leistung war. (Bond hatte gehört, dass das Feuer inzwischen weitgehend gelöscht war – zu seiner großen Erleichterung. Er wäre nur ungern als der Mann in Erinnerung geblieben, der ein beträchtliches Stück des Kapstadter Umlands bis auf die Sandsteinschicht niedergebrannt hatte.)
Bheka Jordaan erwartete ihn bereits auf dem Flur. Sie hatte noch einmal geduscht, um auch die letzten Reste von Severan Hydts Blut von sich abzuwaschen, und dann eine dunkle Hose und eine gelbe Bluse angezogen, deren helle, fröhliche Farbe womöglich als eine Art Gegengewicht zu den schrecklichen Ereignissen bei Green Way gedacht war.
Sie bat Bond in ihr Büro und nahm mit ihm auf zwei Stühlen vor ihrem Schreibtisch Platz. »Dunne hat es geschafft, nach Mosambik zu fliehen. Die Behörden dort haben ihn gesichtet, aber er konnte in einem unappetitlichen Teil von Maputo untertauchen – na ja, ehrlich gesagt, trifft die Bezeichnung fast auf die ganze Stadt zu. Ich habe einige Kollegen in Pretoria verständigt, bei der
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