Carte Blanche - Ein Bond-Roman
lassen. »Voreingenommen? Ich habe sechs Schwarze, vier Weiße und einen Asiaten verhaftet. Wenn das kein Regenbogen ist, dann weiß ich auch nicht.«
Die Katastrophe wurde ihm mehr und mehr bewusst. Sein Blick löste sich von den Feuern und schweifte über den Rest des Geländes. Wahrscheinlich hielt er nach Dunne Ausschau. Ohne seinen Ingenieur war er verloren.
Nach einem kurzen Blick auf Bond wandte er sich verzweifelt an Jordaan. »Können wir denn nicht ein Übereinkommen treffen? Ich bin sehr wohlhabend.«
»Das trifft sich gut«, sagte sie. »Ihre Anwaltskosten dürften nämlich ziemlich hoch ausfallen.«
»Das soll keine Bestechung sein.«
»Das will ich auch nicht hoffen. Denn das wäre ein sehr ernstes Vergehen.« Dann fügte sie in sachlichem Tonfall hinzu: »Ich will wissen, wohin Niall Dunne geflohen ist. Falls Sie mir bei seiner Ergreifung behilflich sind, werde ich die Staatsanwaltschaft entsprechend unterrichten.«
»Ich kann Ihnen die Adresse seiner Wohnung hier geben …«
»Ich habe bereits Leute dorthin geschickt. Nennen Sie mir ein paar andere Orte, die er aufsuchen könnte.«
»Ja … da fällt mir bestimmt etwas ein.«
Bond sah Gregory Lamb aus einem verlassenen Teil des Geländes kommen; der Mann hielt die große Pistole, als hätte er noch nie eine Waffe abgefeuert. Bond ließ Jordaan und Hydt zwischen den Paletten mit leeren Ölfässern zurück und fing Lamb an einem verbeulten Müllcontainer ab.
»Ah, Bond«, sagte der Six-Agent. Er keuchte und schwitzte, trotz der kühlen Herbstluft. Sein Gesicht war schmutzig, und der Ärmel seines Jacketts war eingerissen.
»Haben Sie was abgekriegt?« Bond wies auf die Beschädigung, die anscheinend durch eine Kugel aus nächster Nähe verursacht worden war; in den Stoff hatten sich Pulverrückstände eingebrannt.
»Nein, ich zum Glück nicht. Nur mein Lieblingsanzug.«
Er hatte wirklich Glück gehabt. Ein Stück weiter links, und das Projektil hätte ihm den Oberarm zerschmettert.
»Was ist aus den Leuten geworden, denen Sie gefolgt sind?«, fragte Bond. »Ich hatte die gar nicht gesehen.«
»Die konnten leider fliehen. Sie haben sich aufgeteilt. Ich wusste, sie wollten mich in die Zange nehmen, aber ich bin dennoch einem von denen hinterher. So habe ich mir meinen Lord Nelson hier eingefangen.« Er berührte den Ärmel. »Aber verdammt, die kannten das Gelände, und ich nicht. Immerhin konnte ich einem von denen eine Kugel verpassen.«
»Wollen Sie der Blutspur folgen?«
Er blickte verständnislos drein. »Oh. Bin ich schon. Aber sie hat sich verloren.«
Bond hingegen verlor das Interesse an dem Abenteuerausflug in den Busch und ging ein Stück beiseite, um in London anzurufen. Er gab gerade die Nummer ein, als er in nur wenigen Metern Entfernung ein mehrfaches lautes Hämmern hörte. Er erkannte es sofort als den Einschlag großer Geschosse; erst dann erklangen aus weiter Ferne die Schussgeräusche eines Gewehrs.
Bond wirbelte herum, griff nach der Walther und suchte das Gelände ab. Doch er sah keine Spur von dem Schützen – nur das Opfer: Bheka Jordaan, deren Brust und Gesicht sich in eine blutige Masse verwandelt hatten, torkelte mit den Armen rudernd nach hinten und stürzte in einen schlammigen Graben.
62
»Nein!«, rief Bond.
Er wollte ihr zu Hilfe eilen. Doch die Menge an Blut, Knochen und Gewebe verriet ihm, dass sie die verheerenden Treffer unmöglich überlebt haben konnte.
Nein …
Bond dachte an Ugogo, an den orangefarbenen Schimmer des Feuers in Jordaans Augen, als sie den beiden Wachen in die elysischen Gefilde gefolgt waren, und an das leise Lächeln.
Die haben mehrere Waffen und wir nur eine. Das ist unfair. Wir müssen ihnen eine wegnehmen …
»Captain!«, schrie Nkosi, der in Deckung gegangen war. Andere SAPS -Beamte gaben ungezielte Schüsse ab.
»Feuer einstellen!«, rief Bond. »Das bringt nichts. Behalten Sie den Horizont im Auge. Achten Sie auf Mündungsfeuer.«
Die Special Forces verhielten sich professioneller und warteten in guter Deckung, bis sich ein Ziel bieten würde.
Also hatte der Ingenieur doch einen Fluchtplan für seinen geliebten Boss vorbereitet. Danach hatte Hydt Ausschau gehalten. Dunne sollte die Beamten festnageln, damit Hydt fliehen konnte, vermutlich in den nahen Wald, wo die anderen Sicherheitsleute mit einem Wagen auf ihn warteten. Vielleicht war sogar irgendwo auf dem Gelände ein Hubschrauber versteckt. Hydt war jedoch noch nicht losgerannt; er musste sich weiterhin
Weitere Kostenlose Bücher