Carte Blanche - Ein Bond-Roman
es sich um Jordaans Kinder handelte. Es gab keine Fotos von ihr und einem Partner.
Geschieden, erinnerte er sich.
Ferner wurde ihr Schreibtisch von etwa fünfzig Fallakten geziert. Der Alltag der Polizei und Geheimdienste hat mehr mit Papierkram als mit Waffen und technischen Spielereien zu tun.
Trotz des Spätherbstes war das Klima mild und das Büro warm. Nach kurzem Überlegen zog Jordaan ihr rotes Jackett aus und hängte es auf. Ihre schwarze Bluse war kurzärmelig, und Bond sah auf der Innenseite ihres rechten Unterarms eine große überschminkte Stelle. Die Frau schien nicht der Typ für Tätowierungen zu sein, aber vielleicht irrte er sich. Dann kam er zu dem Schluss, dass sie mit der Schminke eine lange und breite Narbe verdecken wollte.
South African Police Cross für Tapferkeit …
Bond nahm gegenüber von ihr Platz, neben Nkosi, der den Jackettknopf öffnete und sich kerzengerade hielt.
»Hat Colonel Tanner Sie über meine Mission in Kenntnis gesetzt?«, fragte Bond.
»Wir wissen nur, dass Sie gegen Severan Hydt ermitteln und dass es um die nationale Sicherheit geht.«
Bond fasste zusammen, was sie über Vorfall Zwanzig – alias Gehenna – und die am Freitag drohenden Todesopfer wussten.
Nkosis hohe Stirn legte sich in tiefe Falten. Jordaan hörte sich alles ruhig an. Sie hielt die Hände aneinander – die beiden Mittelfinger wurden von schlichten Ringen geschmückt. »Ich verstehe. Und die Indizien sind glaubhaft?«
»Ja. Überrascht Sie das?«
»Severan Hydt genießt einen guten Ruf«, sagte sie ungerührt. »Er ist uns natürlich ein Begriff. Er hat Green Way International in Südafrika vor zwei Jahren eröffnet und mit allen größeren Städten Verträge über die Abfallentsorgung und -verwertung geschlossen: Pretoria, Durban, Port Elizabeth, Johannesburg und zahlreiche weitere hier im Westen. Unser Land hat ihm viel zu verdanken. Wie Sie wissen, befinden wir uns in einer Übergangsphase und haben aus unserer Vergangenheit diverse Umweltprobleme geerbt. Der Gold- und Diamantenabbau, die Armut und die mangelnde Infrastruktur haben ihren Tribut gefordert. In den Townships und Siedlungen war die Müllbeseitigung schon immer ein äußerst kritischer Punkt. Als Ausgleich für die Zwangsumsiedlungen unter dem Group Areas Act des Apartheidregimes hat die Regierung Wohngebiete errichtet – sogenannte Lokasies –, damit die Leute nicht mehr in Baracken hausen mussten. Doch auch dort war die Bevölkerungsdichte so groß, dass eine Müllabfuhr nur teilweise oder sogar gar nicht funktionierte. Es kam zu Krankheiten. Severan Hydt hat vieles davon in den Griff bekommen. Er spendet außerdem regelmäßig für wohltätige Aids- und Ernährungsprojekte.«
Die meisten kriminellen Unternehmen haben eine fähige PR-Abteilung, dachte Bond; ein »guter Ruf« schützt nicht vor einer sorgfältigen Untersuchung.
Jordaan schien seine Skepsis zu spüren. »Ich sage nur, dass er nicht gerade wie ein Terrorist oder Meisterverbrecher wirkt«, fuhr sie fort. »Falls er aber einer ist, wird meine Abteilung Sie mit allen verfügbaren Mitteln unterstützen.«
»Danke. Wissen Sie denn auch etwas über seinen Mitarbeiter, Niall Dunne?«
»Bis heute Morgen hatte ich den Namen noch nie gehört«, sagte sie. »Ich habe ihn überprüft. Er besucht unser Land seit mehreren Jahren immer wieder, mit einem regulären britischen Pass. Wir hatten nie Probleme mit ihm. Er steht auf keiner Beobachtungsliste.«
»Was können Sie mir über die Frau in deren Begleitung sagen?«
Nkosi zog eine Akte zurate. »Amerikanischer Pass. Jessica Barnes. Wir wissen nichts über sie, könnte man sagen. Keine Vorstrafen. Keine verdächtigen Aktivitäten. Nichts. Wir haben ein paar Fotos.«
»Das ist sie nicht«, sagte Bond, als er die Bilder einer jungen, auffallend hübschen Blondine sah.
»Oh, Verzeihung. Ich hätte sagen sollen, so sah sie früher aus. Die Fotos sind aus dem Internet.« Nkosi drehte eines der Bilder um. »Das hier stammt aus den Siebzigern. Sie war Miss Massachusetts und hat an der Wahl zur Miss America teilgenommen. Inzwischen ist sie vierundsechzig Jahre alt.«
Nun erkannte auch Bond die Ähnlichkeit. »Wo hat Green Way seinen Sitz?«, fragte er.
»Es gibt zwei«, sagte Nkosi. »Einen hier ganz in der Nähe und einen rund dreißig Kilometer nördlich – da liegt Hydts großes Entsorgungs- und Recyclinggelände.«
»Ich muss hineingelangen und herausfinden, was er vorhat.«
»Natürlich«, sagte Bheka Jordaan. Dann
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