Carte Blanche - Ein Bond-Roman
in Massengräbern bestattet. Eine Schande, aber es passiert.«
»Ja, in der Tat.«
»Falls nun eine Regierung oder eine wohltätige Organisation beabsichtigt, in dem betreffenden Gebiet etwas zum Wohl der Bevölkerung zu bauen – ein Krankenhaus, eine Wohnsiedlung oder eine Straße –, gibt es gewisse Hemmungen. Das Land ist einwandfrei, es steht genug Geld zur Verfügung, und es gibt Arbeiter, die eine Anstellung suchen, aber viele Leute würden später aus Angst vor Geistern und Gespenstern nur ungern in das Krankenhaus gehen oder in die Häuser einziehen. Für mich klingt das absurd, und für Sie auch, da bin ich sicher. Aber so denken viele Menschen nun mal.« Theron zuckte die Achseln. »Wie schade für die Einwohner jener Regionen, wenn ihre Gesundheit und Sicherheit unter solch törichten Vorstellungen leiden sollte.«
Hydt war wie elektrisiert. Er trommelte mit den Fingernägeln auf die Schreibtischoberfläche. Er zwang sich, damit aufzuhören.
»Also, hier ist meine Idee: Ich denke daran, diesen, nun ja, Regierungsbehörden eine Dienstleistung anzubieten, nämlich die Beseitigung der menschlichen Überreste.« Sein Gesicht hellte sich auf. »Auf diese Weise können mehr Fabriken errichtet werden, mehr Krankenhäuser, Straßen, Farmen, Schulen, und den Armen und Unglücklichen wird geholfen.«
»Ja«, sagte Hydt. »Und die Toten werden an anderer Stelle neu beigesetzt.«
Theron legte beide Hände auf den Schreibtisch. Der goldene Ring mit den Initialen funkelte in einem Sonnenstrahl. »Das ist eine Möglichkeit. Aber sie wäre sehr teuer. Und an dem neuen Ort könnte sich später das gleiche Problem stellen.«
»Stimmt. Aber gibt es denn andere Alternativen?«, fragte Hydt.
»Ihr Fachgebiet.«
»Und das wäre?«
»Vielleicht … Recycling«, flüsterte Theron.
Hydt verstand genau, worum es ging. Gene Theron, ein Söldner, und zwar offensichtlich ein sehr erfolgreicher, hatte Männer und Waffen an diverse Armeen und Warlords in ganz Afrika geliefert. Männer, die insgeheim Hunderte oder Tausende von Menschen abgeschlachtet und ihre Leichen in Massengräbern versteckt hatten. Nun bekamen sie allmählich Angst, dass gewählte Regierungen, Friedenstruppen, die Medien oder Menschenrechtsgruppen die Toten entdecken könnten.
Theron hatte daran verdient, den Tod dieser Menschen herbeizuführen. Und nun wollte er auch noch daran verdienen, die Spuren zu beseitigen.
»Es kam mir wie eine interessante Lösung vor«, fuhr Theron fort. »Aber ich wüsste nicht, wie ich es anstellen müsste. Ihre … Interessen in Kambodscha und Ihr Recyclingbetrieb hier haben mich auf den Gedanken gebracht, dass Sie sich womöglich auch schon mit dieser Frage beschäftigt haben. Oder geneigt wären, sie in Erwägung zu ziehen.« Seine kalten Augen musterten Hydt. »Ich dachte da an Beton oder Mörtel. Oder Dünger?«
Man verwandelte die Leichen in Produkte, bei denen sichergestellt war, dass man sie nicht mehr als menschliche Überreste identifizieren konnte! Hydt konnte kaum an sich halten. Das war genial. Mein Gott, es musste auf der Welt Hunderte solcher Gelegenheiten geben – Somalia, das ehemalige Jugoslawien, Lateinamerika … und in Afrika gab es sowieso jede Menge Killing Fields. Tausende. Sein Herz klopfte wie wild.
»Das also ist meine Idee. Eine Fifty-Fifty-Partnerschaft. Ich liefere den Abfall, und Sie recyceln ihn.« Theron schien das ziemlich amüsant zu finden.
»Ich glaube, wir kommen ins Geschäft.« Hydt reichte dem Afrikaander seine Hand.
35
Das größte Risiko, das James Bond einging, indem er die inoffizielle Tarnidentität von Gene Theron annahm, bestand darin, dass Niall Dunne ihn in Serbien oder den Fens vielleicht genau zu Gesicht bekommen hatte. Oder er konnte in Dubai seine Beschreibung erhalten haben – sofern der Verfolger mit der blauen Jacke tatsächlich für Hydt arbeitete.
In dem Fall würde Dunne ihn auf der Stelle töten, wenn Bond dreist in die Niederlassung von Green Way in Kapstadt marschierte und Hydt dafür zu ködern versuchte, Leichen aus geheimen Gräbern in ganz Afrika zu beseitigen. Oder er würde ihn zu einem privaten Killing Field verfrachten und den Job dort mit kalter Effizienz erledigen.
Doch nun, nachdem er die Hand des faszinierten Severan Hydt geschüttelt hatte, glaubte Bond allmählich, dass die Tarnung hielt. Vorläufig jedenfalls. Hydt war zunächst natürlich misstrauisch gewesen, hatte Therons Geschichte dann jedoch geglaubt. Warum? Weil Bond ihn mit einem
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