Carte Blanche - Ein Bond-Roman
braucht ein Büro wie dieses aber eine Sekretärin«, hatte sie aufgebracht widersprochen.
»Wenn Sie unbedingt wollen.«
»Keineswegs«, hatte sie pikiert erwidert. »Aber so muss es nun mal sein.«
Den Besuch der Männer hatte Bond vorhergesehen, aber nicht, dass Hydt nach Fotos der Killing Fields fragen würde, obwohl das vermutlich zu befürchten gewesen war. Kaum hatte er Hydts Büro verlassen, hatte er daher Jordaan angerufen und sie gebeten, aus den Militär- und Polizeiarchiven Bilder von afrikanischen Massengräbern zu besorgen. Dies stellte entgegen seinen Erwartungen überhaupt kein Problem dar, und als er bei ihr eintraf, hatte sie schon ein Dutzend Dateien heruntergeladen.
»Können Sie das Büro für ein oder zwei Tage besetzt halten?«, fragte Bond. »Für den Fall, dass Dunne zurückkommt?«
»Ich kann einen Mann erübrigen«, sagte sie. »Sergeant Mbalula, Sie bleiben vorläufig hier.«
»Ja, Captain.«
»Ich lasse Sie von einem Streifenbeamten ablösen.« Sie wandte sich wieder Bond zu. »Glauben Sie denn, dass Dunne noch mal herkommt?«
»Nein, aber es ist möglich. Hydt ist zwar der Boss, aber er lässt sich leicht ablenken. Dunne ist konzentrierter und misstrauischer. Meiner Ansicht nach macht ihn das gefährlicher.«
»Commander.« Nkosi öffnete einen verbeulten Aktenkoffer. »Das ist für Sie in der Zentrale eingetroffen.« Er nahm einen dicken Umschlag heraus. Bond riss ihn auf. Der Umschlag enthielt zehntausend Rand in gebrauchten Banknoten, einen falschen südafrikanischen Pass, Kreditkarten und eine Debitkarte, alle auf den Namen Eugene J. Theron. Die Abteilung I hatte wieder einmal gezaubert.
Zudem war eine Notiz beigefügt: Zimmer mit Meerblick reserviert im Table Mountain Hotel, ohne Abreisedatum .
Bond steckte alles ein. »Der Lodge Club, wo ich mich heute Abend mit Hydt treffe. Was ist das für ein Laden?«
»Für mich ist er zu teuer«, sagte Nkosi.
»Das ist ein Restaurant mit Veranstaltungsräumen«, erklärte Jordaan. »Ich bin auch noch nie da gewesen. Früher war es ein privater Jagdclub, nur für weiße Männer. Als bei den Wahlen vierundneunzig der ANC an die Macht kam, haben die Eigentümer beschlossen, den Club lieber aufzulösen und das Gebäude zu verkaufen, anstatt die Mitgliedschaftsbestimmungen zu ändern. Schwarze Männer hätte der Vorstand ja noch zugelassen, aber Frauen wollte man auf keinen Fall. Ich bin sicher, bei Ihnen zu Hause gibt es keine solchen Clubs, nicht wahr, James?«
Er verschwieg, dass es in England durchaus vergleichbare Etablissements gab. »In meinem Lieblingsclub in London herrschen durch und durch demokratische Verhältnisse. Jeder kann beitreten … und Geld an den Spieltischen verlieren. Genau wie ich. Mit einiger Häufigkeit, möchte ich hinzufügen.«
Nkosi lachte.
»Falls Sie mal nach London kommen, lade ich Sie gern dorthin ein«, sagte Bond zu Jordaan.
Sie schien auch das wieder als einen schamlosen Flirtversuch zu begreifen und ignorierte ihn frostig.
»Ich fahre Sie zu Ihrem Hotel.« Die Miene des groß gewachsenen Polizisten wurde ernst. »Ich glaube, ich werde beim SAPS kündigen und Sie bitten, mir einen Job in England zu besorgen, Commander.«
Um für die ODG oder den MI6 zu arbeiten, musste man britischer Staatsbürger sein und über mindestens einen britischen Elternteil verfügen – ersatzweise über einen Elternteil, der enge Bindungen zum Vereinigten Königreich besaß. Und man musste in Großbritannien seinen Wohnsitz haben.
»Dank meiner großartigen Arbeit als verdeckter Ermittler« – Nkosi wies mit weit ausholender Geste auf die Büroräume – »weiß ich nun, dass ich zum Schauspieler berufen bin. Ich werde nach London kommen und im West End arbeiten. Da sind doch all die berühmten Theater, richtig?«
»Äh, ja.« Wenngleich Bond schon seit Jahren keines mehr freiwillig besucht hatte.
»Ich bin sicher, ich werde großen Erfolg haben«, sagte der junge Mann. »Ich mag Shakespeare. David Mamet ist auch recht gut. Ganz ohne Zweifel.«
Bond nahm an, dass Nkosi mit einer Chefin wie Bheka Jordaan nur wenig Gelegenheit erhielt, seinem Sinn für Humor mal freien Lauf zu lassen.
37
Das Hotel lag an der Tafelbucht im vornehmen Kapstadter Viertel Green Point. Es war ein älteres sechsgeschossiges Gebäude im klassischen Kap-Stil und konnte seine kolonialen Wurzeln nicht recht verbergen – allerdings bemühte es sich auch nicht allzu sehr darum. Man erkannte sie deutlich an den akribisch gepflegten
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