Carte Blanche - Ein Bond-Roman
Jacke? Goldener Ohrring?«
»Tja, äh, einen Ohrring hab ich nicht gesehen. Meine Augen sind auch nicht mehr so gut wie früher. Aber ansonsten stimmt es. Er hat hier eine Weile herumgelungert und ist dann verschwunden wie das Tischtuch, wenn die Sonne hervorkommt. Sie wissen, was ich meine: der Nebel auf dem Tafelberg.«
Bond war nicht in der Stimmung für Reiseberichte. Verflucht, der Mann, der Yusuf Nasad und beinahe auch Felix Leiter ermordet hatte, hatte erfahren, dass er hier war. Wahrscheinlich war er der Mann, den Jordaan erwähnt hatte und der heute Morgen mit einem gefälschten britischen Pass aus Abu Dhabi eingereist war.
Wer, zum Teufel, war er?
»Haben Sie ein Foto geschossen?«, fragte Bond.
»Ach was, nein. Der Mann war flink wie ein Wasserkäfer.«
»Ist Ihnen sonst etwas an ihm aufgefallen, ein Mobiltelefon, eine mögliche Waffe oder ein Fahrzeug?«
»Nein. Zack und weg. Wasserkäfer.« Er zuckte die breiten Schultern, die vermutlich ebenso sommersprossig und rot waren wie das Gesicht, schätzte Bond.
»Sie waren am Flughafen, als ich heute angekommen bin«, sagte Bond. »Warum sind Sie im letzten Moment abgebogen?«
»Ich habe Captain Jordaan gesehen. Aus irgendeinem Grund konnte sie sich nie für mich erwärmen. Vielleicht hält sie mich für den großen weißen Jäger und Kolonisten, der ihr das Land wieder wegnehmen will. Vor ein paar Monaten hat sie mich mal ganz schön zusammengefaltet.«
»Mein Stabschef hat gesagt, Sie seien in Eritrea.«
»War ich auch – und in der letzten Woche jenseits der Grenze im Sudan. Wie es aussieht, steht ein Krieg bevor, also musste ich ebenfalls aufrüsten, um heil aus der Sache rauszukommen. Sobald das erledigt war, hab ich von einer ODG -Operation gehört.« Sein Blick verfinsterte sich. »Es überrascht mich, dass man mich nicht benachrichtigt hat.«
»Es hieß, Sie seien an irgendeiner wichtigen und heiklen Sache dran«, log Bond.
»Ah.« Lamb schien ihm zu glauben. »Nun, wie dem auch sei, ich dachte mir, ich komme lieber so schnell wie möglich her, um Ihnen zu helfen. Wissen Sie, das Kap ist trügerisch. Es sieht aus wie eine hübsche, saubere Touristenattraktion, doch hinter den Kulissen geht sehr viel mehr vor. Ich hasse es, mein eigenes Loblied zu singen, mein Freund, aber Sie brauchen jemanden wie mich, der unter die Oberfläche blickt und Ihnen sagt, was wirklich los ist. Ich bin gut vernetzt. Kennen Sie irgendeinen anderen Agenten bei Six, der es so hingedreht hat, dass seine Tarnung durch den Entwicklungsfonds der einheimischen Regierung finanziert wird? Ich habe der Krone letztes Jahr eine Stange Geld erspart.«
»Und die Überschüsse sind ans Finanzministerium gegangen, nicht wahr?«
Lamb zuckte die Achseln. »Ich habe immerhin eine Rolle zu spielen, oder? Für die Welt bin ich ein erfolgreicher Geschäftsmann. Man muss seine Tarnidentität durch und durch leben, sonst schleicht sich irgendwo ein Sandkorn ein, und im Handumdrehen liegt da eine große Perle und schreit: ›Ich bin ein Spion!‹ … Sagen Sie mal, haben Sie was dagegen, dass ich mir was aus Ihrer Minibar genehmige?«
Bond winkte ab. »Bedienen Sie sich.« Lamb nahm sich ein Fläschchen Bombay Sapphire Gin, dann noch eines. Er goss den Inhalt in ein Glas. »Kein Eis? Schade. Na, egal.« Er schüttete etwas Tonic hinzu.
»Was ist denn Ihre Tarnung?«
»Meistens arrangiere ich Charterfahrten für Frachtschiffe. Erstklassige Idee, möchte ich behaupten. Gibt mir die Möglichkeit, Freundschaft mit den bösen Jungs in den Docks zu schließen. Ich lasse außerdem nach Gold und Aluminium suchen und baue Straßen und Infrastruktur.«
»Und da bleibt noch Zeit zum Spionieren?«
»Der ist gut, mein Freund!« Aus irgendeinem Grund fing Lamb nun an, Bond seine Lebensgeschichte zu erzählen. Er war ein britischer Staatsbürger, so wie seine Mutter, und sein Vater war Südafrikaner. Er war mit seinen Eltern hergekommen und hatte entdeckt, dass es ihm hier besser gefiel als in Manchester. Nach der Ausbildung in Fort Monckton hatte er gebeten, nach Südafrika versetzt zu werden. Station Z war die einzige, für die er je gearbeitet hatte … und er hatte es sich auch nie anders gewünscht. Den größten Teil seiner Zeit verbrachte er in der westlichen Kapregion, reiste aber häufig in Afrika herum und kümmerte sich um die Geschäfte seiner Tarnidentität.
Als er merkte, dass Bond ihm nicht zuhörte, trank er einen Schluck und fragte: »Und woran genau arbeiten Sie? Irgendwas
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