Carte Blanche - Ein Bond-Roman
von einem Analytiker gelesen worden, der sie für relevant hielt und sogleich an Bond weiterleitete.
Er las nun sowohl die Rohdaten als auch die analysierte Fassung. Wie es schien, beabsichtigte Dunne, einen von Hydts Arbeitern zu töten, einen gewissen Stephan Dlamini samt seiner Familie, weil der Angestellte in einem abgesicherten Teil von Green Way zufällig etwas gesehen hatte, das nicht für seine Augen bestimmt gewesen war – womöglich Informationen, die mit Gehenna zu tun hatten. Bonds Ziel war klar: Der Mann musste unter allen Umständen gerettet werden.
Absicht … Reaktion .
Der Mann lebte außerhalb von Kapstadt. Seine Ermordung sollte wie der Überfall einer Bande aussehen. Man wollte Granaten und Brandsätze benutzen. Und der Anschlag würde beim Abendessen stattfinden.
Danach war die Batterie jedoch erschöpft gewesen, und die Übertragung der Wanze war abgebrochen.
Beim Abendessen. Womöglich jeden Augenblick.
Bond hatte es nicht geschafft, die Frau in Dubai zu retten. Er würde nicht zulassen, dass diese Familie starb. Und er musste herausfinden, was Dlamini gesehen hatte.
Doch er konnte schwerlich Bheka Jordaan verständigen und ihr mitteilen, was er durch eine illegale Abhöraktion in Erfahrung gebracht hatte. Er nahm den Hörer und rief die Rezeption an.
»Ja, Sir?«
»Ich habe eine Frage«, sagte Bond zwanglos. »Ich hatte heute ein Problem mit meinem Wagen, und ein Einheimischer war so nett, mir zu helfen. Ich hatte kaum Geld dabei und möchte ihm nun etwas für seine Mühe zukommen lassen. Wie stelle ich es am besten an, seine Anschrift herauszufinden? Ich kenne seinen Namen und den Wohnort, aber mehr nicht.«
»Wie heißt die Stadt?«
»Primrose Gardens.«
Es herrschte Stille. Dann sagte der Portier: »Das ist eine Township.«
Eine Siedlung, wusste Bond aufgrund des Materials, das Bheka Jordaan ihm geschickt hatte. Die Hütten besaßen kaum so etwas wie reguläre Postadressen. »Tja, könnte ich nicht hingehen und fragen, ob ihn dort jemand kennt?«
Wieder eine Pause. »Nun, Sir, das dürfte etwas zu gefährlich sein.«
»Deswegen mache ich mir keine allzu großen Sorgen.«
»Ich glaube, es würde auch wenig Aussicht auf Erfolg bestehen.«
»Warum?«
»In Primrose Gardens wohnen etwa fünfzigtausend Menschen.«
Um siebzehn Uhr dreißig, während schon die herbstliche Dämmerung hereinbrach, sah Niall Dunne dabei zu, wie Severan Hydt das Green-Way-Gebäude in Kapstadt verließ und mit aufrechtem Gang und einer gewissen Eleganz zu seiner Limousine schritt.
Hydts Füße zeigten nicht nach außen, seine Haltung war nicht gebeugt, seine Arme schwangen nicht seitlich hin und her. (»Oh, seht euch den Trampel an! Niall ist eine Scheißgiraffe!«)
Hydt wollte nach Hause, sich umziehen und dann mit Jessica zu der Wohltätigkeitsveranstaltung in den Lodge Club fahren.
Dunne stand in der Lobby von Green Way und schaute aus dem Fenster. Sein Blick verweilte auf Hydt, während dieser in Begleitung eines Sicherheitsmannes mit seinem Wagen außer Sicht verschwand.
Ihn wegfahren zu sehen, unterwegs zu seinem Heim und seiner Gefährtin, versetzte Dunne einen Stich.
Mach dich nicht lächerlich, tadelte er sich. Konzentriere dich auf den Job. Am Freitag bricht die Hölle los, und es wird dein Fehler sein, falls auch nur ein einziges Zahnrad nicht das macht, was es soll.
Konzentriere dich.
Und das tat er.
Dunne verließ das Gebäude, holte seinen Wagen und machte sich auf den Weg nach Primrose Gardens. Er würde sich dort mit einem der Sicherheitsleute der Firma treffen und den Plan ausführen, den er nun noch einmal durchging: das Timing, die Annäherung, die Anzahl der Granaten, der Brandsatz, die Flucht.
Er unterzog jeden einzelnen Schritt einer genauen und geduldigen Prüfung. So wie er es immer tat.
Das ist Niall. Er ist brillant. Er ist bei mir für die Planung zuständig …
Doch seine Gedanken schweiften ab, und seine hängenden Schultern sackten sogar noch weiter herunter, als er sich seinen Boss bei der bevorstehenden Gala am heutigen Abend vorstellte. Er spürte wieder diesen Stich.
Dunne nahm an, dass die Leute sich fragten, wieso er allein war. Als Grund vermuteten sie, dass es ihm unmöglich sei, Gefühle zu empfinden. Dass er eine Maschine sei. Sie begriffen nicht, dass es gemäß des Konzepts der klassischen Mechanik simple Maschinen gab – wie Schrauben, Hebel und Rollen – und komplexe Maschinen wie Motoren, die erklärtermaßen Energie in Bewegung
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