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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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erschienen. Das hatte er auf Eifersucht geschoben. Aber jetzt schien es ihm noch verdächtiger zu sein. »Verdammt!« Bremer leerte sein Glas und goß sich nach. Er mochte Anne – eine Untertreibung, wenn er ehrlich mit sich war. Er machte sich Sorgen um sie. Sorgen? Schon wieder gelogen. Er hatte Angst um sie.
    Seine Nachbarn hatten sich mittlerweile unter der Linde versammelt, bei der Bank vor Gottfrieds Hof. Fast automatisch griff sich Paul etwas Kleingeld und einen leeren Eierkarton, bevor er hinüberlief. Glaubst du denn noch immer, du brauchtest einen Vorwand, um dich am Nachbartratsch beteiligen zu dürfen? dachte er kopfschüttelnd. Offenbar ja. Immer noch.
    »Erst tote Pferde, dann tote Menschen«, sagte Alfred genießerisch, mit mißtrauischem Seitenblick auf Paul.
    »Ich muß erst gucken, ob sie welche gelegt haben«, sagte Gottfried, dem Paul den Eierkarton in die Hand gedrückt hatte. »Im Herbst nimmt’s ab mit dem Legen.«
    »Laß dir Zeit«, erwiderte Paul, der ja nicht der Eier wegen gekommen war.
    »Ich hab der Burau nie getraut«, sagte Marianne mit leisem Triumph in der Stimme. Immerhin hatte sie den Anstand, wie Paul bemerkte, ihm einen leicht schuldbewußten Seitenblick zuzuwerfen.
    »Aber es gibt doch noch nicht einmal Verdachtsmomente!« Für diese Rettung der Unschuldsvermutung hätte Paul dem braven Ortsvorsteher am liebsten auf die Schultern geklopft.
    »Wer Feuer legt und Pferde umbringt, bringt auch Menschen um«, urteilte Erwin knapp und zündete sich eine an.
    Schön, dachte Paul, daß nicht alle gleich ans Lynchen der Ehefrau denken. Aber an Erwins Variante glaubte er nicht.
    »Wer auf Brandstiften steht«, wandte er behutsam ein, »ist selten ein Mörder. Oder ein Tierquäler. Wahrscheinlich haben wir es mit mindestens drei Tätern zu tun. Vielleicht sogar mit mehr – wenn man Nachahmungstäter dazurechnet.«
    Daß man mittlerweile davon ausgehen mußte, daß in seiner geliebten Heimat mehr als ein, ja mehr als zwei Wahnsinnige frei herumliefen, erschien selbst dem gelassenen Gottfried eine gewagte, eine schreckenerregende Vorstellung zu sein.
    »Ich bleib nachts daheim«, sagte Martha. Erwin räusperte sich und spuckte professionell an der alten Futtertränke vorbei, in der Gottfrieds Frau Marie wuchernde rote Geranien hielt.
    »Hatte der Mann von der Burau nicht ziemlich oft in Frankfurt zu tun?« Ortsvorsteher Wilhelm versuchte die Aufmerksamkeit auf den in Klein-Roda zweitbeliebtesten Repräsentanten allen Unheils zu lenken: auf den Frankfurter. Ein um so schrecklicheres Phänomen, als es stets im Singular auftrat. Aber heute zündete die Idee nicht.
    »Es muß einer aus der Gegend sein«, widersprach Willi, Mariannes Mann, der sich in seiner üblichen Aufmachung zu ihnen gesellt hatte – unten Gummistiefel, dazwischen einen verblichenen Overall, oben ein topfförmiges, lappiges Stück Stoff, in Form gehalten von einer schmalen, gesteppten Krempe, eine Art Hütchen, das Paul nur von Spanientouristen und Anglern vertraut war und dessen Funktion er nicht verstand. »Wer wäre denn sonst auf die Idee mit der Kühlkammer gekommen?« Bestimmt kein Frankfurter. Willi hielt, wie er Paul einmal gestanden hatte, die Bewohner der Mainmetropole nicht nur für gesamtheitlich kriminell, sondern auch für beschränkt. »Ausnahmen bestätigen die Regel!« hatte Willi nach diesem Bekenntnis herzlich lachend ausgerufen und den Exfrankfurter Bremer kräftig in die Seite geboxt.
    »Ich bleib heut nacht daheim!«, beharrte Martha. Alles andere hätte ihre Nachbarn allerdings auch verwundert. Die alte Martha ging mit dem Sonnenuntergang ins Bett und war beim ersten Hahnenschrei wieder auf den Beinen, um geschäftig über die Dorfstraße zu laufen, von Bauer Tröller zum Backhaus und zurück. Wenn sie nicht gerade mit dem Fahrrad vorbeisauste.
    »Die Burau hat Feriengäste. Und jede Menge Kunden«, widersprach Paul. »Die wissen alle, wo die Kühlkammern sind.«
    »Wer Pferde tötet, tötet auch Menschen«, dröhnte Alfred und nickte begeistert mit dem Kopf. »Das waren die Kameltreiber! Islamistisches Pack! Alles Kannibalen!« Ortsvorsteher Wilhelm legte Alfred mäßigend die Hand auf den Arm, womit er sich ein mürrisches »Pfoten weg!« einhandelte.
    Willi kratzte sich am Kopf, Gottfried streichelte geistesabwesend den Alten Fritz, die alte Martha lehnte müde an ihrem Fahrrad. Seine Nachbarn boten ein Bild der Entwurzelung, dachte Paul.
    »Ach was! Natürlich war sie’s! Klar hat die Burau

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