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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Hilfe.«
    »Erste Hilfe?« fragte sie den Dunkelhaarigen, der lethargisch nickte.
    »Dann reicht auch Dr. Grün. Der ist grad bei den Pferden.«
    Schon war sie in den Tiefen des Hauses verschwunden. »Otto!« hörte man sie rufen, »Komm doch mal eben.«
    »Wen oder was hat’s erwischt?«, fragte der Tierarzt, der sich die Hände an einem karierten Handtuch trockenrieb, als er aus dem Haus zu der kleinen Versammlung aus zwei Katzen, dem roten Setter, Paul und Anne trat, die interessiert um den auf der Holzbank zusammengesackten Motorradfahrer herumstanden. »Mich nicht, Otto!« sagte Bremer, der Grün kannte, seit der liebevoll eine der kleinen schwarzen Katzen zusammengeflickt hatte, die Erwins Bulldog, seinem alten Trecker, nicht rechtzeitig aus dem Weg gesprungen war.
    Grün hob die struppigen Augenbrauen, die einzigen Haare, die er noch auf dem Kopf hatte. Der Mann in der Lederkombi erhob sich mühsam von der Bank.
    »Den hab ich auf der Straße gefunden, nachdem mir sein Motorrad vor die Füße gerutscht ist«, sagte Paul.
    »Na so was«, murmelte Grün, legte dem Havaristen seine große rote Pranke auf die Schulter und sah ihm tief in die Augen. »Was gebrochen?«
    Der Dunkelhaarige zuckte mit den Schultern und folgte dem Veterinär wie das Lamm zur Schlachtbank ins Haus. Wahrscheinlich hatte er gar nicht begriffen, daß Grün im allgemeinen von Tieren mehr verstand als von Menschen. Aber so groß ist der Unterschied ja meistens nicht, sagte sich Paul und sah beiden hinterher.
    »Grün ist gut«, sagte Anne freundlich. »Machen Sie sich keine Sorgen!«
    Hatte sie ihn prüfend angesehen? Ihre Augen hinter der schmalen, auffälligen Brille waren hellblau, stellte Bremer überrascht fest, als er wieder zu ihr hinübersah. Sehr hell, sehr blau. Ihre Haare waren auch sehr hell – blond und glatt. Sie hatte sie im Nacken zusammengefaßt.
    »Paul Bremer«, sagte er zu ihr. »Aus Klein-Roda. Ich wohne dort – seit ein paar Jahren.«
    »Anne Burau«, antwortete sie, lachte und fügte hinzu: »Auch nicht hier geboren.« Das hatte er gemerkt.
    Vielleicht war es das, was ihn zu ihr hingezogen hatte. Manchmal, gestand sich Paul zerknirscht, brauchte auch der überzeugteste Neudörfler Kontakt zur eigenen Art. Aber vielleicht waren es ja auch ihre schmalen Hände mit den langen Fingern, die ihm gefallen hatten. Die Art, wie sie ihre Jeans und das karierte Hemd trug. Und die nicht mehr ganz saubere Metzgerschürze darüber. Der Spott in ihren Augen. Ihre direkte Art. Also das, wie ihm schmerzlich bewußt war, was Melancholiker attraktiv fanden, weil sie es an sich selbst vermißten.
    Oder ihn faszinierte die Tatsache, daß Anne Burau ein Geheimnis hatte. Aber das konnte ihm eigentlich damals noch gar nicht aufgefallen sein.
     
    In Bremers Tiefkühltruhe lag mehr Fleisch, als er in den nächsten drei Monaten würde verbrauchen können. Er hatte nach einem Vorwand gesucht, sie immer wieder zu sehen. Sie hatte ihm das Du angeboten, beim Bier, schon bei seinem zweiten Besuch. Ihn einmal spontan umarmt, weil sie eine seiner Bemerkungen witzig gefunden hatte. Sie war mit ihm über die Wiesen und Koppeln gelaufen, sie hatten über Gott und die Welt geredet. Nur über sich selbst schwieg sie sich aus. Er hatte weder über sie noch über ihre Ehe mit Leo irgend etwas Wesentliches erfahren.
    Bremer ging zum Telefon. Er kannte ihre Nummer auswendig: Er hatte sie weit öfter gewählt, als er mit Anne telefoniert hatte.
    Sie war da. »Laß mal, Paul«, sagte sie. Sie klang müde. »Es geht schon.«
    »Kann man was für dich tun?«
    »Laß nur, Paul«, sagte sie. »Ein andermal.«
6
    »Du schneidest dir jede Rückzugsmöglichkeit ab«, konstatierte Karen und rückte energisch ihr Weinglas einen Zentimeter nach rechts oben.
    »Das ist einkalkuliert«, antwortete Paul betont selbstbewußt. Natürlich hatte sie recht: Nach seinem »Enthüllungsbuch« über die Durchstechereien und Abzockereien in der Werbebranche war an eine Rückkehr in diesen Beruf nicht mehr zu denken. Und das konnte sich noch als unklug erweisen, denn nirgendwo sonst konnte man so schnell und so problemlos das Geld verdienen, das man so brauchte.
    »Wie soll’s dann also weitergehen?« Die Staatsanwältin hatte ihre unruhigen Finger um das Salzfäßchen gelegt.
    »Vielleicht ein nächstes Buch? Oder der Titel wird ein rauschender Erfolg – dann leb ich von Tantiemen.«
    »Ich gönn’s dir ja. Aber realistisch ist das nicht.« Karen war Berufsskeptikerin.
    »Alles,

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