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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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war sie nur genußsüchtig.
    »Der Haken ist bloß«, sagte er, der seinen Teller schon längst weggeschoben hatte – irgendwie war ihm der Appetit vergangen –, »daß Leo mit dem Hof gar nicht sehr viel zu tun zu haben schien. Die Arbeit macht sie.«
    »Oh!« machte Karen mit damenhaft gespitztem Mund. »Eine schöne, eine traditionsreiche, ja, eine besonders intelligente Arbeitsteilung, ohne Zweifel.«
    »Trotzdem möglich, daß er den Tätern in die Quere kam.«
    »Also ein Zufallsmord. Warum nicht?« Karen tupfte sich die Lippen an der Serviette ab.
    »Dann wären auch Brandstifter und Pferdeschlitzer wieder im Spiel. Vielleicht hatte er einen von denen ertappt?«
    »Schon möglich.« Karen sah ihn prüfend an. »Andererseits – ein herber Verlust für die Gattin ist der Verblichene ja wohl nicht, oder?«
    Paul wand sich etwas. Aber er sah das ähnlich.
    »Und du glaubst, sie am Morgen vor dem Leichenfund gesehen zu haben?« bohrte Karen.
    »Ich weiß nicht.« Paul wollte sich nicht festlegen. »Vielleicht.«
    »Also ein stinknormales Beziehungsdrama.« Karen Stark lehnte sich zurück und klopfte mit dem schmalen Ende des Dessertlöffels auf den Tisch. Dann legte sie beide Hände auf die Tischplatte, etwas theatralisch, fand Paul, beugte sich wieder vor und sah ihm in die Augen: »Der Mörder ist so gut wie nie der Gärtner. Meistens, fast immer war es einer der nächsten Angehörigen. Der Ehemann. Die Ehefrau. Der Sohn. Die Tochter.«
    »Ich weiß«, sagte Paul. »Ich weiß. Ich weiß. Ich weiß.«
    Karen seufzte auf, als ob sie mit einem intelligenten, aber lernunwilligen Schüler ungeduldig sein müsse. »Also. Was war los mit dieser Ehe?«
    Nicht viel, glaubte Bremer, der Annes Gatten höchstens ein-, zweimal auf dem Hof gesehen hatte. Einmal war er ins Gespräch mit einem Mann vertieft gewesen, der mit Anzug und Aktenköfferchen wie der Vertreter von der Brandschutzversicherung ausgesehen hatte. Ein anderes Mal war er um eine dickbusige Schwarzhaarige herumgeturnt, wahrscheinlich ein Feriengast, der er die Stallungen zeigte, die Reithalle, den kleinen Teich, die glucksende Truthahnherde.
    »Bei irgendeiner Arbeit habe ich den Mann nie gesehen. Und wie der typische Landmann sah er auch nicht gerade aus.«
    »Und wie sieht der typische Landmann aus?« fragte Karen spöttisch.
    Paul grinste zurück. »Vom Mistforkenschwingen jedenfalls hat Leo Matern seine Muskeln nicht gekriegt.«
    Karen nickte. Davon verstand sie was.
    »Und so nahtlos braun, wie Piz Buin, Ibiza und Vitamin-A-Pillen machen, wird man nicht, wenn man sich jeden Tag, bei jeder Sorte von Wetter, im Freien bewegt.« Er dachte an die dreieinhalb langen, weißen Falten, die Anne über der Nasenwurzel hatte, und spürte ein kleines, zärtliches Flattern in der Magengrube. Ihrer Haut sah man an, daß sie keine Zeit für die Sonnenbank hatte. Eine gepflegte Städterin wie Karen würde wohl immer jünger aussehen.
    »Kurz«, sagte er energisch, »der Mann war entschieden zu schön und hatte etwas Undefinierbares in der Stimme.« Um genauer zu sein, dachte Paul: etwas Unsympathisches.
    »Dialekt? Ausländer?«
    Paul erinnerte sich nicht genau. »Eine Klangfärbung. Nicht aus den hiesigen Breiten.« Aus denen stammte allerdings auch Anne nicht. Paul wußte nur: Leo klang anders.
    »Also mit der Ehe war nichts mehr los.«
    »Wenn ich jetzt darüber nachdenke«, sagte Paul, »war das eigentlich wirklich auffällig.« Anne hatte Leo nie auch nur erwähnt. »Ich schlachte erst Ende November wieder«, hatte sie gesagt, als Paul sie jüngst nach einem Schweinebraten fragte. Oder: »Ab Dezember habe ich auch Hähnchen oder Poularden.«
    »Ich«, sagte sie, wenn sie von ihren Feriengästen sprach und von den Reitkursen, zu denen sie auch Paul überreden wollte. Und das »wir«, als es um die Ferien ging, die sie sich erst im Januar leisten könne, bezog sich, wenn er sie recht verstanden hatte, auf sie und ihre Tochter Rena, das nette, etwas ungelenke Mädchen, das sich, unglücklicherweise, wie Paul fand, in den aalglatten jungen Alexander verliebt hatte.
    »Sie machte einen völlig ungebundenen Eindruck.«
    »Und du?«
    Paul zuckte verlegen mit den Schultern. »Mich hat sie erst umarmt und in der nächsten Sekunde am ausgestreckten Arm verhungern lassen.« Sie war immer freundlich, zugewandt, eigentlich auch warm ihm gegenüber gewesen – das schon. Aber mehr nicht. Er mochte das Wort überhaupt nicht – und den Sachverhalt noch viel weniger: aber

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