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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Gelächter aus, in ein aus der Leibesmitte aufsteigendes Lachen, das ihn schüttelte und zusammenkrümmte und nach Luft schnappen ließ. »Willi«, japste er, »Willi …«
    »Ist ja gut«, sagte der gemütlich, »ist ja gut.«
    Als Paul sich wieder beruhigt hatte, setzte er sich auf den großen Baumstamm neben dem Holzplatz und klopfte auf den Platz neben sich. »Komm, setz dich.«
    Mit Männern schweigen tat wohl, dachte Bremer. Willi rauchte, kratzte sich ab und an den Kopf mit den dunkelbraunen Locken und trat die Kippe schließlich mit dem Absatz seiner Gummistiefel in den weichen Boden. Nach zwei Minuten zündete er sich die nächste an. In einem jähen Anfall von Großmut verzieh Paul dem Mann seiner Freundin Marianne, daß auch er, immer wenn er dem störrischen Zigarettenautomaten eine Packung abgerungen hatte, den Zellophanüberzug der Kippenschachtel in Pauls Vorgarten warf.
    Einvernehmlich saßen die Männer beisammen, sagten nichts und ließen die Zeit vergehen.
    »Schwierig das alles im Moment, nicht?« sagte Willi kryptisch.
    Paul antwortete nicht. Und legte dann die Hand auf die Schulter des Mannes und drückte einmal kurz. »Ja«, sagte er.
    Als Paul mit einem gefüllten Holzkorb den Schuppen betrat, in dem er das frischgespaltene Holz zwischenlagerte, zerflog die Ruhe, in der er sich eben noch eingerichtet hatte. Er verstand erst gar nicht, was er da vor sich sah. Auf dem Boden unter dem Schuppenfenster lagen Scherben, Glasscherben, von einer Flasche offenbar, denn ein Flaschenhals war zu erkennen, der noch intakt war. Die Scherben lagen in einer Pfütze, in irgendeiner hellen Flüssigkeit. Katzenpisse? Paul verwarf den Gedanken gleich wieder. Katzen haben es gerne gemütlich dabei, und Scherben waren keine gute Unterlage. Im Flaschenhals, fiel ihm auf, steckte ein Stück Papier, das oben, dort, wo es aus der Flasche herausragte, schwärzlich, nach unten hin braungelb war. Eindeutig angekokelt. Brandspuren. Das Papier sah wie eine Lunte aus, durchfuhr es Paul, das ganze wie ein Brandsatz, den man ihm in den Schuppen geschleudert hatte, in dem nicht nur sein Rennrad stand, sein Gartengerät, seine Werkbank, eine Leiter, eine Sackkarre, ein Sack Zement, sondern in dem auch ein guter Kubikmeter gespaltenes Holz, sechs Zentner Briketts und vier Zentner Eierkohlen lagerten.
    »Verdammt«, sagte Paul und atmete geräuschvoll aus. Er guckte zum Fenster: Das Oberlicht stand offen. Es stand ja immer offen. Jemand hatte ihm durchs Oberlicht einen Molotowcocktail in den Schuppen geworfen, erste Wahl für einen Brandherd, fand Paul, den plötzlich eine namenlose Wut packte. Ich bring ihn um, das miese Schwein, und zwar ganz langsam, dachte er und sah seine Hände sich fest um einen Hals legen und dann langsam zudrücken, zudrücken und dann schütteln, wie es die Katzen mit ihrer Beute machen. Bis es knackt. Paul ballte die Fäuste. Ich will ihn umbringen, stellte er mit einer Mischung aus Genugtuung und Verblüffung fest. Bestialisch umbringen. Das Gefühl war ihm neu.
    Eine kaputte Dichtung war Schicksal. Wie Hochwasser. Aber das, das hier, das war die reine menschliche Bosheit, das hatte ein Gesicht, einen Namen und eine Anschrift. Es war ihm, als ob er darauf gewartet hätte, daß das Unglück, dieser graue Ascheregen über seinem Leben, menschliche Gestalt annahm. So ein mieses Schwein! Und noch nicht einmal geklappt hatte es! Dieser Gedanke ernüchterte ihn wieder.
    Für eine ordentliche Brandstiftung war das Ganze tatsächlich ein bißchen dilettantisch. Paul setzte den Holzkorb ab und tauchte einen Finger in die Flüssigkeit. Sie roch nach nichts, nicht nach Benzin, nicht nach Spiritus. Mit der Gartenschere zog er das Papier aus dem Flaschenhals, die »Lunte«, und breitete es unter Zuhilfenahme eines Schürhakens auf dem Hackklotz aus. Verblüfft sah er, daß die »Lunte« eine Botschaft enthielt. In unbeholfener Blockschrift stand auf dem Papier: »Du bist der Nächste.«
    Paul mußte sich setzen. Auf den Holzkorb, als Notbehelf. Der nächste was? Das nächste Opfer einer Brandstiftung? Das nächste Mordopfer? Der nächste, der auf einen dummen Bubenstreich hereinfällt? Ich kann nicht klar denken, dachte er, noch immer mit Schweiß auf der Stirn, voller Wut. Klar war nur eines: Jemand bedrohte ihn. Hier, wo er sich fünf Jahre sicher gefühlt hatte. Vor den Anforderungen der Welt. Vor seinen Gefühlen. Vor der Verantwortung. Vor – ach, weiß der Teufel. Paul stand auf, klopfte sich Holzstaub und

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