Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
an dem nassen Fleck am Boden zu riechen. Die Flüssigkeit, die, wie Paul vermutete, aus der zerbrochenen Flasche stammte, war mittlerweile fast eingetrocknet.
    »Nach Benzin oder Spiritus riecht das nicht«, sagte der Inspektor, holte ein Wattestäbchen aus der Tasche, rieb damit über den Fleck und legte es in ein Plastikröhrchen mit Schraubverschluß.
    »Nichts angefaßt?« fragte er Paul, der den Kopf schüttelte. Vorsichtig klaubte er mit den behandschuhten Händen die Scherben zusammen und legte sie in eine Plastiktüte. »›Du bist der nächste‹«, las er laut vor und legte das angekokelte Papier in eine weitere Tüte.
    Dann kam er ächzend wieder hoch. »Eigentlich sympathisch, der Dorfbulle«, dachte Paul. Graue Augen. Schiefe Nase im verknitterten Gesicht. Und nicht so ein steifer Bürokrat.
    Sie setzten sich wieder an den Gartentisch.
    »Nichts läßt auf die Verwendung von Brandbeschleunigern schließen. Und die bloße Logik spricht eigentlich dagegen, daß man Ihren Schuppen abfackeln wollte, wenn doch auf dem Papier eine Botschaft stand, die Sie erreichen sollte.«
    »Ich sehe das genauso«, sagte Bremer, der sich noch immer unwohl fühlte.
    »Andererseits: Manche Leute denken nicht logisch«, sagte Kosinski und schaute sich um. Sein Geschmack war das nicht, der zugewachsene Garten und das Häuschen, in dem sich Leute wie er erfahrungsgemäß nur gebückt bewegen konnten.
    Kosinski zündete sich eine Zigarette an und nahm den ersten Zug. »Was könnte denn mit ›Du bist der nächste‹ gemeint sein?«
    Bremer zuckte die Achseln.
    »Das nächste Opfer einer Brandstiftung? Oder das nächste Opfer eines Mordes?«
    »Oder das Opfer eines Streichs«, sagte Paul, der im Moment zu dieser Variante neigte. Wenn seine Nachbarn einen Fremden um seinen Schuppen herumschleichen gesehen hätten, hätte er davon längst erfahren. Andererseits: Dann mußte es einer aus dem Dorf gewesen sein, der ihn hatte erschrecken wollen. Und das war auch keine gemütliche Vorstellung.
    Mit einem eleganten Satz kam der kleine graugetigerte Kater übers Gartentörchen gesprungen. »Ihrer?« fragte Kosinski. Bremer verneinte. »Ich bin nur der gute Onkel der Nachbarskatzen.« Kosinski nickte. Er mochte Katzen.
    »Wer hat von Ihnen etwas zu befürchten? Wer möchte Sie warnen oder einschüchtern?« Es war auffällig, daß Bremer noch immer verlegen zu sein schien. Kosinski sah ihn scharf an. Bremer hatte schmale Lippen und zwei tief eingekerbte Falten neben den Mundwinkeln. Magengeschwür? Oder Streß? Aber warum sollte ein Frühpensionär Streß haben? Dem Inspektor war es schleierhaft, wie man so leben konnte wie dieser, so schien es ihm, etwas weltferne Mann. Hatte der sich den fingierten Brandsatz womöglich selbst in den Schuppen geworfen? Verrückt wirkte er nicht. Andererseits: Es hatte auch Fälle gegeben, in denen Brandstifter sich das eigene Haus anzündeten, damit der Verdacht nicht auf sie fiel. Täter glaubten gern, der Opferstatus mache sie unsichtbar. Aber zu solchen durchsichtigen Manövern neigten eher die etwas Beschränkteren. Dieser hier hätte sich geschickter angestellt.
    »Kann es sein, daß Sie etwas gesehen haben? Den Pferdeschlitzer, den Brandstifter – oder den Mörder?«
    Anne? Der Jeep? Hatte sie ihn gesehen? Würde sie – Pauls Herzschlag setzte aus, um beschleunigt weiterzupochen. Unmöglich. Lächerlich. Warum sollte sie?
    »Ich wüßte nicht«, antwortete er vorsichtig.
    »›Du bist der nächste‹«, murmelte Kosinski und klopfte mit der Zigarettenschachtel auf den Gartentisch. »Kennen Sie Frau Burau?«
    Paul atmete tief ein. »Wollen Sie einen Schnaps?«
    Kosinski grinste und nickte. Dieses »nicht während der Dienstzeit« war wohl auch nur ein Gerücht. Paul fand das entspannend und holte die Flasche und zwei Gläser.
    »Seit dem Frühjahr«, beantwortete er die Frage des Inspektors. »Wir sind ein bißchen befreundet. Aber nicht sehr gut.«
    Der Inspektor hob das Glas und prostete Paul zu. »Und den Verstorbenen?«
    »So gut wie gar nicht.«
    Paul goß unaufgefordert nach und merkte, daß seine Hände zitterten. Hatte er etwas gesehen, irgend etwas gesehen, was dem Mörder von Leo gefährlich werden konnte – wer immer es war? Quatsch, ermahnte er sich.
    Kosinski klopfte sich eine Zigarette aus der Ernte 23-Packung. Die fünfte, wenn Paul richtig gezählt hatte. Zündete sie an, zog durch und strich abwesend dem kleinen Grautiger übers Fell, der sich zu seinen Füßen niedergelassen

Weitere Kostenlose Bücher