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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Rudolf, als er die Tür aufgeschlossen und entriegelt hatte und Anne sah, die an der Wand gegenüber der Tür hockte, über ihrem Kopf eine Reihe baumelnder Würste. Sie sah verheult aus und verfroren.
    »Ach du liebes bißchen«, ergänzte Werner, ließ den Schweinekadaver fallen und zog seine Jacke aus. »Anne! Was machst denn du hier!« Er legte Anne die Jacke um die Schultern und half ihr hoch.
    »Du mußt ja halb erfroren sein!« sagte Rudolf. »Nur halb«, antwortete sie mit belegter Stimme, fiel Rudolf um den Hals und fing an Werners Brust hemmungslos zu schluchzen an.
    »Wir müssen sie ins Warme bringen«, flüsterte Werner über Annes Kopf hinweg, »ins Haus! Ein Bad einlaufen lassen! Einen Arzt holen!« Rudolf nickte besorgt. »Gibt’s bei solchen Temperaturen schon Erfrierungen?«
    »Glaub ich nicht. Vielleicht eine Unterkühlung – kommt darauf an, wie lange sie hier schon gesessen hat.«
    Die beiden Jäger reichten sich die Hände zum Notsitz, auf dem sie Anne im Laufschritt hinüber ins Wohnhaus trugen. Annes Zähne schlugen heftig und hörbar aufeinander. Das war nicht nur die Kälte, dachte sie noch. Sondern der Schock, der jetzt auch endlich rausdurfte. Wie hinter einer Nebelwand hörte sie Dagobert heulen. Vage erinnerte sie sich, daß sie ihn in den Zwinger gesperrt hatte, gestern, vor langer, langer Zeit – in einer anderen Welt. Das war ganz offensichtlich ein Fehler gewesen.
    Werner, der ehrenamtlich für das Malteser Hilfswerk arbeitete, glaubte sich auszukennen mit unterkühlten Personen. Während Rudolf in der Bibliothek das Kaminfeuer entzündete, in der Küche Wasser heißmachte und oben im Badezimmer die Wanne vollaufen ließ, packte Werner Anne aufs Sofa und in warme Decken.
    »Was um Himmels willen war da los?« fragte Rudolf und hielt ihr einen Becher mit warmem Grog an die Lippen. »Was zum Teufel wolltest du in der Kühlkammer?« Erst nach ein, zwei Schlucken hatte sich Anne halbwegs im Griff und konnte ihre Geschichte erzählen. Es gab da, stellte sie fest, nicht viel zu berichten. Was ihr wie eine Ewigkeit erschienen war, ließ sich mühelos in zwei Sätzen unterbringen. »Man hat mich eingesperrt. Gestern abend.« Wer? »Keine Ahnung.«
    »Wir sollten die Polizei holen«, schlug Werner vor.
    »Einen Arzt!« verbesserte ihn Rudolf.
    »Nicht jetzt«, flüsterte Anne. »Bad. Bett.«
    »Haben die Schweine was gestohlen?«
    Werner folgte Annes Instruktionen und sah in ihrem Schreibsekretär nach. Scheckhefte und Geldkassette waren noch da.
    »Soll ich Rena holen?« fragte Rudolf.
    »Laß sie schlafen«, antwortete Anne müde. »Sie kann mir jetzt doch nicht helfen.«
    Langsam kehrte die Wärme in ihren verfrorenen Körper zurück. Und mit der Wärme kam eine überströmende Dankbarkeit, eine tiefe Rührung beim Anblick der beiden Männer, die sie, so empfand es Anne, gerettet hatten. Sie wußte nicht, ob sie lachte oder weinte, jedenfalls schluchzte sie an Rudolfs Brust, der sie wie eine besonders leichte Last auf den Arm genommen hatte, um sie ins Bad zu bringen. »Das ist der Schock«, flüsterte Werner beruhigend, während die beiden Männer sie geübt von Leggins, Unterhose und Sweatshirt befreiten, bevor sie ihr ins warme Wasser halfen. »Ihr seid einfach großartig«, murmelte Anne und klammerte sich an Rudolfs Hand. »Zu heiß?« fragte Werner. Unterkühlte Menschen, das hatte er gelernt, mußte man langsam wieder auf die richtige Temperatur bringen.
    Anne verzog das Gesicht. »Es kribbelt«, sagte sie. »Das ist schon in Ordnung«, beruhigte sie Werner. »Die Blutzirkulation normalisiert sich wieder.« Anne öffnete die Augen. Weit weg, in großer Ferne sah sie verschwommen die Gesichter der beiden Männer, die besorgt auf sie heruntersahen. »Geht’s?« fragte Werner. »Alles klar?« sagte Rudolf. Anne nickte selig. Alles war gut.
    Erst als die beiden sie ins Bett gebracht, sich ein letztes Mal nach ihren Wünschen erkundigt hatten und gegangen waren, wich die wohlige Watte in ihrem Hirn einem Moment von Klarheit. Rena! Sie mußte sofort nach Rena sehen! Dann war der Gedanke auch schon weg. Anne schlief, tief, fest.
7
    Das Klingeln des Telefons schreckte Anne Burau um acht Uhr aus dem Schlaf. Unten heulte Dagobert, und Sammy kratzte an ihrer Schlafzimmertür. Benommen griff sie zum Hörer.
    »Frau Burau?« Es rauschte in der Leitung. Wie bei einer Funkverbindung. Aber es war unüberhörbar Krysztof.
    »Was ist?« fragte Anne knapp und mit heiserer Stimme.
    »Kannst du

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