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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Längen. Mohrenköpfe und Negerküsse, wie man früher noch ungestraft sagen durfte. Magenbrot. Gebrannte Mandeln. Lebkuchenherzen. Kandierte Früchte. Zuckerwatte.
    An einem der vielen Weinstände kauften sie einen Becher Wein und schlenderten weiter. Das Riesenrad drehte gemächliche Runden. Aus der Geisterbahn hörte man es kreischen.
    Paul war gerührt, als Karen ihm an einer Schießbude fünf Plastikrosen schoß.
    »Waren dafür nicht früher die Männer zuständig?« fragte er und küßte sie auf die Wange.
    »Mach dir nichts draus«, sagte Karen trocken. »Ich muß, im Unterschied zu dir, jeden Monat üben.«
    Paul sah sie von der Seite an. Die meisten Männer hatten Angst vor ihr. Karen hatte mal behauptet, sie hätte sich damit abgefunden. »So merkt wenigstens niemand, daß bei mir alles nur Fassade ist«, hatte sie lachend gesagt. »Außen hart und innen fließend!« Er hatte sie an ihren ausgeprägten Bizeps gefaßt und »Du lügst!« gesagt. »Fast alles!« hatte sie sich korrigiert. Irgend etwas, dachte er bedauernd, mußte schiefgelaufen sein in der Beziehung zwischen den Geschlechtern – wenn sogar jemand wie Karen allein war. Er – nun, er hatte sich das wahrscheinlich selbst zuzuschreiben. Aber sie?
    Unterhalb des Riesenrads, in seinem Schatten, kauerte ein runder Holzbau, eine Art Tonne aus soliden, bunt gestrichenen Holzbohlen, von denen die Farbe an vielen Stellen abgeblättert war. Karen zog Paul am Arm, aber der hatte den seltsamen Bau auch schon gesehen. Auf einem hölzernen Podium vor dem Rundbau stand ein alter Rennwagen – »Formel V«, sagte Paul. Als sie direkt davor standen, öffnete sich eine Luke in der Tonne und ein Motorrad schoß heraus – »Eine 1000er BMW«, kommentierte Paul, was ihm einen spöttischen Seitenblick von Karen eintrug. »Steilwandrennen«, sagte er, »wetten?« Karen kriegte leuchtende Augen.
    Die Karten kaufte Paul. Dann liefen sie eine Rampe hoch, bis sie am oberen Rand des Holzrondells angelangt waren. Von hier aus konnte man ins Innere und bis auf den Boden der Riesentonne sehen, etwa fünf Meter tief, in eine Art Manege, die einen Durchmesser von vielleicht zwölf Metern hatte. Bremer und Stark stellten sich zwischen die anderen Zuschauer an die Balustrade, um die eine Eisenreling horizontal zum Manegenrund verlief.
    Unten in der Manege nahmen drei Männer breitbeinig Aufstellung, in schimmernder Lederrüstung, jeder Zoll Motorradfahrer. Ein schönwettergegerbter Fünfzigjähriger mit Seefahrerblick hatte die bullige 1000er BMW zwischen die Schenkel genommen, ein junger Bursche mit einer Spur Asien im Gesicht saß, wie Paul Karen erklärte, auf einer Enduro. Der Auffälligste der drei sah aus wie eine Mischung aus Gerard Depardieu und Mr. Bean. »Der fährt eine Ariel, verdammt«, flüsterte Paul, eine Ariel Square Four, wenn ihn nicht alles täuschte, das stolzeste und schönste Modell (»Von 1930!«), das ihr britischer Erfinder je auf den Markt gebracht hatte. Paul boxte Karen begeistert in die Seite, während der Mann mit dem Seefahrerblick seine Mitkämpfer vorstellte. Der Name ›Mad Kelly‹, fand Karen, paßte zu dem Mann auf der antiken Maschine.
    »Damen und Herren«, rief der Boß der Truppe, der eine weinrote Lederkombi trug und schmale, schon etwas abgeschabte weiße Stiefelchen, »wir riskieren für Sie alles. «
    »Das will ich auch gehofft haben«, flüsterte Paul.
    » Keine Versicherung trägt dieses Risiko mit.«
    »Gelogen!« Karen flüsterte nicht. »Da sei die Berufsgenossenschaft vor!«
    »Hier« , sagte der Mann mit Tremolo und klopfte auf einen großen, massiven Holzkasten, »hier steht unsere Lebensversicherung. Sie können dabeisein. Mit Ihrer Spende.« ›Mad Kelly‹ rieb sich verlegen die ziemlich große Nase, der Mann auf der Enduro scharrte mit der Fußspitze auf dem Boden. Nur der Mann mit den blauen Seemannsaugen guckte erwartungsvoll nach oben.
    »Guter Trick.« Paul lachte. Und warf die ersten Groschen.
    Weitere Geldstücke fielen, die meisten waren silbern.
    Karen griff in ihre Handtasche, puderte sich die Nase, zog die Lippen nach. Als der Geldregen am Verebben war, warf sie mit majestätischer Geste einen Geldschein in die Manege: grün, nicht blau. Alles starrte gebannt auf den Schein, wie er sich drehte, schwebte, im Aufwind zitterte und dann langsam zu Boden ging.
    »Wollen wir uns angesichts der Todesmutigen lumpen lassen?« zischte Karen.
    ›Mad Kelly‹ salutierte ihr.
    »Ave Caesar«, zischelte Paul

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