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Cash

Cash

Titel: Cash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Price
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Treppenhaus hinab, als gäbe es dort etwas Ungewöhnliches zu sehen. »Kommen Sie, verschwinden wir hier.« Er führte ihn elf Stockwerke hinunter und auf die Straße hinaus.
     
    Das Kinderzimmer war trotz der offensichtlichen Fülle genauso blank und proper wie das Wohnzimmer. Unter der nackten Deckenlampe lagen vier Einzelmatratzen dicht an dicht, auf einer eine schlafende Drei- oder Vierjährige, eine Reihe angestoßener Kommoden und ein großer Weidenkorb mit den Überresten von Puppen, ferngesteuerten Autos und unidentifizierbaren Spielzeugteilen, kein verirrtes Stück Plastik auf dem Fußboden. Es war so eng im Zimmer, dass Yolonda im Türrahmen stehen blieb. Der Teenager kauerte auf dem Fußende eines leeren Bettes, offensichtlich seines, und starrte in die Luft.
    »Wie heißt du?«, fragte Yolonda.
    »Tristan«, murmelte er.
    »Nennen sie dich auch so?«
    »Hä?« Er sah sie nicht an.
    »Deine Freunde.«
    »Keine Ahnung.« Der allseits beliebte, schulterzuckende Singsang.
    Yolonda fädelte sich vorsichtig ins Zimmer, um vertraulicher mit Tristan reden zu können, setzte sich neben ihn auf die Matratze und sah von dort die HAUSREGELN, mit Leuchtmarker auf Eichenpapier geschrieben und direkt über die Tür gepinnt:
     
    1. ZU HAUSE SEIN zehn Uhr werktags, Mitternacht am Wochenende - Sonntagnacht ist ein Werktag, weil darauf der MONTAGMORGEN folgt
    2.
zur Schule bringen - RECHTZEITIG
    3.  
von der Schule abholen - RECHTZEITIG
    4.  
KEINER ZU HAUSE, wenn ich bei der Arbeit bin. Das beinhaltet, wenn meine Frau da ist, aber ich nicht
    5.  
ALKOHOL ist VERBOTEN in diesem Haushalt einschließlich mein Privatvorrat, der TABU ist
    6.  
KEINE DROGEN das sollte nicht mal notwendig sein, dass ich das sage
    7.  
Keine laute oder VULGÄRE Art von Musik und keine Kopfhörer wo man nicht hört wenn es ein NOTFALL gibt
    8.  
BEITRAG ZU HAUSHALTKASSE Hälfte von Einnahmen - bei freie KOST und LOGIS das SCHNÄPPCHEN DES JAHRHUNDERTS
    9.  
RESPEKTLOSIGKEIT gleich UNDANKBARKEIT
     
    Eine vortreffliche Handschrift mit Schnörkeln und schwertähnlichen Schlenkern, bedrückend in seiner Überladenheit. »Hat dein Vater das geschrieben?«
    »Das ist nicht mein Vater.« Er hielt den Kopf gesenkt, verweigerte den Blick. »Stiefvater?«
    «Gewesen.«
    »Hat dich deiner Mutter abgenommen?«

    »Scheint so.« Er fixierte seine Basketballschuhe.
    »Wo ist sie denn?«
    »Keine Ahnung.«
    »Schläfst du hier?«
    »Ja.«
    »Und du passt auf die Kleinen auf.«
    «Allerdings.« Ein halbtotes Schnaufen.
    »Und seine Frau da draußen, wenn du muckst, schlägt sie sich grundsätzlich auf seine Seite, oder?«
    Er zuckte launisch mit den Schultern, die Turnschuhe an seinen Füßen waren so faszinierend.
    Yolonda rückte näher. »Also, warum ...« Dann: »Was ist passiert, ist deine Großmutter gestorben?«
    »Hm-hm.« Die schmalen Augen glänzten.
    »Und du kannst auf keinen Fall bei deiner Mutter wohnen.«
    »Gibt keinen mehr, wo's geht.« Er mied weiter ihren Blick.
    »Was ist denn dann mit dir.« Sie boxte ihn an die Schulter. »Das hier ist seine Wohnung.«
    »Mir egal.«
    »Willst du obdachlos werden?«
    «Mir egal.«
    »Du darfst ihn nicht schlagen.«
    »Er mich auch nicht.« Seine Stimme war kaum hörbar.
    »War er das?« Sie beäugte seine Narbe.
    »Nein.«
    Yolonda wartete, der Junge war reglos, doch wachsam.
    »Hör mir mal zu.« Er erschrak, als sie seine Hand nahm. »Mein Vater hat meinen Bruder immer windelweich geprügelt, ja? Ich hatte drei Brüder, mein Vater kam besoffen nach Hause? Das erste und einzige Mal, dass mein Bruder Ricky zurückgeschlagen hat, hat er ihm den Kiefer gebrochen, und mein Vater hat ihn einsperren lassen. Sechs Monate Spofford. Das ist ungerecht, aber so ist es.«
    Er antwortete nicht, aber Yolonda wusste, dass er zugehört hatte.
    »Aber weißt du was?« Ihre Lippen streiften beinahe sein Ohr. »Nach heute? Glaube ich nicht, dass er dich noch mal schlägt.«
    In Betrachtung seiner Turnschuhe versunken, verkniff er sich ein Lächeln.
    »Du siehst nett aus.« Sie stand auf. »Ich will mir keine Sorgen um dich machen müssen, wenn ich jetzt nach Hause gehe, okay?«
     
    »Hören Sie, ich bin ja nicht völlig hilflos«, sagte Billy. »Also, ohne Hilfsmittel. Ich habe ein bisschen gelesen, meine ich, und, soweit es was nützt und soweit ich sehen kann, muss ich alles in allem drei Dinge tun, um das hier ansatzweise zu überstehen.«
    Sie saßen sich auf Rattansesseln im ansonsten leeren Hinterzimmer

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