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Cash

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Titel: Cash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Price
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die Eier.
    »Na schön.«
    Alle drei sahen Yolonda nach, die Musik verebbte, als die beinahe einen Block lange Prozession an der ersten Kreuzung nach links abbog.
    »Na dann«, sagte Matty, »fahren Sie nach Hause?«
    »Gleich«, sagte Minette. »Ich will ihm ein bisschen Luft geben.«
    »Kann ich etwas rumlaufen?«, murmelte Nina ihrer Mutter zu.
    Minette sah Matty ratsuchend an, und Matty zuckte die Achseln: warum nicht. »Geh nicht zu weit weg und lass dein Handy an«, sagte sie, als hätte sich Nina bereits einiges geleistet. »Und nicht die Anrufe wegdrücken.«
     
    Auf der Straße schien die von Boulware und Cab Calloway angeführte Band einiges von ihrem Zauber eingebüßt zu haben. Die etwa hundertfünfzig Trauergäste, die ihrem »Old Ship of Zion« folgten, wirkten jetzt etwas verschämt, etwas schanghait, und der Nachmittag war zu hell für ihre Kerzenstümpfe.
    Außerstande, seine Empörung über Boulware abzuschütteln, folgte Eric der Prozession auf der anderen Straßenseite inmitten des Pulks kauernder Fotografen, die das Spektakel die Suffolk Street hinunter begleiteten. Als jedoch die Band unerwartet auf eine wilde, wirbelnde Klezmer-Melodie umschwenkte und Boulware und der Junge ein langsames, anmutiges Tevje-pas-de-deuxhinlegten, als hätten sie das die ganze Nacht geübt, wechselten die Fotografen die Straßenseite und umringten die beiden ihrerseits mit einer surrend klickenden Tarantella. Zurück blieb Eric unter der gelb-roten Metallmarkise eines Gemüseladens.
     
    Nachdem Tristan den ganzen Vormittag im Viertel herumgelaufen war, hockte er jetzt unter dem Seitenfenster einer Pizzeria die Straße runter vom Langenshield, das Notizbuch aufgeschlagen auf den brennenden Schenkeln. Er hätte wohl inzwischen viel mehr Material beisammen, hätte nicht diese kitschige Marschkapelle auf den Stufen der Kirche da hinten so gestört. Und als sie beim Reingehen anfingen zu spielen und das Gebäude in einen Ghettoblaster verwandelten und beim Rauskommen immer noch spielten, konnte er nur warten, bis die Parade so weit weg war, dass er seinen eigenen Rhythmus wieder hörte. Sobald er allerdings loslegte, fiel ihm ein Mädchen auf, ungefähr in seinem Alter, das ein paar Meter entfernt das Schaufenster neben der Pizzeria betrachtete. Normalerweise guckte er durch Weiße einfach durch, wahrscheinlich in etwa so, wie sie durch ihn durchguckten, aber ihr Arm war ganz bandagiert; entweder Nähte oder ein Tattoo unter dem Verband, war seine Vermutung.
    Er las noch mal, was er geschrieben hatte, diesmal mit den Augen des Mädchens.
     
    Perlen vor Säue
    Und jedes Wort Reue
    nicht weichen
    über Leichen
    kein Zeichen
    nur schleichen
    ihr seht mich nicht an
    weil sonst seid ihr dran
     
    Als er wieder aufblickte, war sie verschwunden.
    Während die Prozession südlich, südwestlich weiterzog, fädelte sich Yolonda im Slalom durch die Reihen, über die Bürgersteige und suchte nach einem falschen Gesicht, aber es war hoffnungslos, zu viele ewige Anwohner, die von der Parade angelockt wurden, zu viele Kameras, die ganze Bilderstürmerei; hoffnungslos.
    An jeder Kreuzung dirigierten sie Sägeböcke von der Suffolk Street über Stanton, Norfolk und Delancey bis zur Eldridge Street. Der ganze Pulk brauchte ungefähr eine halbe Stunde vom Langenshield bis Eldridge 27, wo in dem abgesperrten Abschnitt zwischen Delancey und Rivington ein Müllwagen und ein Feuerwehrauto auf sie warteten nebst einem lebensgroßen, mit Stroh ausgestopften Abbild von Ike Marcus, das auf einer im Fünfundvierzig-Grad-Winkel geneigten Holzpalette lag wie eine hausgemachte Rakete kurz vor dem Abschuss. Das Gesicht bestand aus angemaltem Pappmache.
    Musiker und Trauergäste bahnten sich ihren Weg an den Stadtfahrzeugen vorbei, den Feuerwehrleuten und Müllmännern, die ungerührt an ihren Fahrerkabinen lehnten, und drapierten sich um das Ebenbild, bis sie einen sechsfachen Kreis darum gebildet hatten, die Anwohner, häufig mit kleinen Kindern auf den Schultern, formten einen unregelmäßigen siebten, und die Verkehrspolizisten, die nach der Beseitigung der Straßensperren allmählich aufholten, einen noch gestaltloseren achten. Und als sie dort alle in Betrachtung von Ikes Ebenbild versunken standen, mischte die Kapelle weiter Klezmer mit Jazz und Spirituals - »Precious Memories«, dann »Kadsheynu«, »Oh Happy Day«, dann »Yossel, Yossel« -, Boulware und wer immer die Kraft dazu hatte, sangen und tanzten, die Fotoreporter drängten sich

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