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Cash

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Titel: Cash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Price
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gönnen.
    »Dermaßen bedient ... Na ja, am Tag darauf hatte ich ein letztes Vorsprechen. Für die zweite Hauptrolle in einem kleinen Kinofilm. Die Figur sollte ein umwerfender Frauenheld sein.« Er sah an sich herab und wartete auf die Lacher. »Ich geh da rein, lese, sagt die Besetzungschefin: >Sie passen überhaupt nicht<.
    Ach nee.
    Ich bin schon fast zur Tür raus, sagt sie, >Moment<. Dann gibt sie mir neue Seiten und sagt: >Aber sein bester Freund ist ein Dickmopse.< Mein erster Rückruf...
    Am nächsten Tag gehe ich rein, und ich bin der Dickmops. Sie sagt: »Kommen Sie nächste Woche wieder, dem Regisseur vorsprechene Mein zweiter Rückruf...«
    Er schob die Hände in die Hosentaschen und betrachtete eine ganze Weile seine Schuhe. »Das haben wir in jener Nacht gefeiert ... Nur deswegen sind wir so um die Häuser gezogen. Wegen meiner Wiedergeburt. Ich weiß nicht, ob ich die Rolle bekomme, aber das ist unterm Strich auch nicht so wichtig. Denn - Ike?«, sagte er zur Decke. »Jetzt weiß ich es: Ich bin ein Künstler. Ich werde nicht hinschmeißen, ich gebe nicht auf. Ich bin noch hier, Ike, und ich bleibe hier.
    Ich würde ja sagen, du wirst mir immer im Gedächtnis bleiben, Kumpel, aber es ist mehr. Du bist immer an meiner Seite.«
    Außerstande, seinen Ohren zu trauen, kam Eric zu dem Schluss, das Ganze missverstanden zu haben, und fühlte, in der Stille, die Boulwares Eloge folgte, nichts.
     
    Das Publikum saß jetzt in einer von gelegentlichem Schlucken und Seufzen durchstoßenen Stille und betrachtete zu Eric Burdons »Bring It On Home to Me« ein aufgeblasenes Foto von Ike aus seinem College-Jahrbuch. Aber die Diashow war vorbei, das Bild lief nirgendwo hin, sein ewiges Grinsen dort oben, die Reglosigkeit seiner träge gebogenen Finger hatten nichts von dem lebendigen Impuls eines Karussell-Schnappschusses, schienen sogar eher die Vorstellung vom Leben nach dem Tod zu verhöhnen. Keiner dachte daran, sich zu erheben, keiner schien dazu fähig, bis Boulware aufstand und mit einem Wink nach hinten den Überraschungsauftritt der Sergeant-Pepper's-Preservation-Hall-Marschkapelle einläutete, die jetzt durch alle Türen hereinströmte und durch alle Gänge schritt und wie lärmende Gnadenengel den »St. James Infirmary Blues« bläkte. Die Blasmusiker kamen nach vorne und stapften langsam von beiden Seiten auf die Bühne, fanden dort wieder zusammen und schmetterten die Melodie nun nach Leibeskräften ins Publikum, die Lautstärke blendete die Leblosigkeit auf der Leinwand aus, und die Menge war so dankbar, dass sie sich erhob, und dann kam, wie die Kirsche auf dem Eisbecher, ein babygesichtiger junger Schwarzer, gewandet wie Cab Calloway in weißem Schwalbenschwanz-Smoking und weißen Turnschuhen, mit gegeltem Haar und einer Stirnlocke so groß wie ein Pferdeschwanz, langsam mit einem Elfenbeinstöckchen den Gang heruntergewirbelt, das Publikum schrie vor Entzücken, vor Erleichterung, die Fotografen wieselten wie Käfer um ihn herum, als er die Treppe zur Bühne hinaufglitt und wieder hinunter, die drei kurzen Stufen hinauf und hinunter wie von der Musik ferngesteuert, bis er endlich an die Rampe trat und hintüber gebeugt mit dem eleganten schlanken Stöckchen zu dirigieren begann, die Fotografen jetzt wie schwärmerische Backfische, die Trauergäste johlend, Ike Marcus bleich, bleicher und, als der Junge zu singen anhob, Cab Calloweh-o-weh wie im Cotton Club, verblichen.
     
    Mitten im Gewühl, um nicht so aufzufallen, stand Matty und konnte den Blick nicht von Minette und Nina wenden. Das Mädchen stand artig da und klatschte mit erloschener Miene, Minette gab sich höllische Mühe, klatschte, als wäre ein Geist in sie gefahren, doch Matty merkte, dass auch sie nicht mochte, dass sie zerrissen war zwischen der Sorge um ihre Tochter hier und ihrem Mann dort draußen, dass sie bereits begonnen hatte, sich mit Ikes Tod abzufinden, um ihre Familie zusammenzuhalten, so erschüttert und versprengt und erbittert sie im Augenblick sein mochten.
    Denn das macht man nun mal, dachte Matty, das wird von einem erwartet, man kümmert sich um sie, man gibt sein Leben hin für sie, wenn es sein muss, und schlägt sich nicht wie eine alternde Wüstenrennmaus im Laufrad jede Nacht um die Ohren, haut sich die Hucke voll und jagt fremden Röcken nach oder wartet darauf, dass das Meer aus Niedertracht und Verheerung die Brusttasche zum Erbeben bringt.
     
    »Siehst du den?« Yolonda boxte Matty sachte an den Arm. »Den

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