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Cash

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Titel: Cash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Price
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ergoss und sein nussiges Aroma verströmte. Matty zählte drei Zahnputzbecher im Zimmer, die mit unterschiedlich viel geschmolzenem Eis gefüllt waren und Wodka, wie er annahm, und entdeckte dann noch einen vierten auf dem Nachttisch, darunter eine geöffnete Gideon-Bibel als Untersetzer. Er zog einen Stuhl unter einem kleinen Tisch hervor, setzte sich zwischen die beiden und beugte sich in die dicke Luft. »Ich bin hergekommen, um Ihnen zu sagen, dass wir Eric Cash festgenommen haben.«
    »Okay«, sagte der Vater unbeteiligt.
    »Aber er hat noch nicht gestanden, und ich will Ihnen nichts vormachen: Wie ich Ihnen schon gesagt habe, Mr Marcus, es liegt noch eine Menge Arbeit vor uns, damit wir die Anklage aufrechterhalten können.«
    »Er ist festgenommen?«
    »Er ist... ja.«
    »Vor Gericht?« Marcus klang, als spräche er im Schlaf.
    »Er ist jetzt beim zentralen Erkennungsdienst.«
    Die Mutter fixierte ihn, seit er hereingekommen war, aber er war sich ziemlich sicher, dass sie kein Wort von dem, was er sagte, mitbekam.
    »Wieso hat er es noch mal getan?«, fragte Marcus.
    »Das gehört zu den Fragen, denen wir im Moment nachgehen.«
    »Aber er steht vor Gericht?«
    Matty atmete durch. »Demnächst wohl, ja.«
    »Okay, gut«, sagte Marcus schwach. »Danke.«
    Wieder legte sich Stille auf sie, und Matty musterte verstohlen die Mutter, die jetzt mit glasigem Blick in die Gegend stierte und sich mit einer Fingerspitze die rechte Schläfe rieb. Und wieder erstaunte ihn der Kontrast zwischen ihrem Gesicht und ihrem Körper - die katzenhafte Ruhe, die biegsame Bereitschaft und zugleich diese Augen, in denen viele Jahre lagen und eine Schwermut, die bestimmt älter war als ein paar Tage.
    »Kann ich noch irgendetwas für Sie tun, für einen von Ihnen. Brauchen Sie irgendwas?«
    »Nein, nein danke«, sagte Marcus, »vielen Dank.« Matty zögerte. »Vielleicht frisches Eis?«
    «Nein. Vielen Dank.«
    Matty beugte sich vor, um aufzustehen. »Wie ich höre, waren Sie bereits in der Gerichtsmedizin. Haben Sie irgendwelche ...«
    »Nein!«, rief die Mutter, im Nu aus dem Sessel und im nächsten Moment bei Marcus. »Er war da!« Der Mann hob teilnahmslos eine Hand, um sein Gesicht zu schützen. »Er war da!«
    Marcus' Augen versanken in ihren Höhlen. Matty blieb sitzen.
    »Ich gehe hin, um Isaac zu sehen, und sie sagen Nein. Sie sagen, der Vater war da, und wir zeigen nicht zweimal. Ich sage, ich bin die Mutter, bitte, ich will ihn sehen, was ist das für eine Vorschrift? Nein. Tut uns leid. Nein.«
    »Woher sollte ich das denn wissen?«, fragte Marcus gefasst.
    »Er war da!« Sie erwischte ihn mit einem Nagel an der Wange, ein bleicher Ritz erschien, der schnell rosa wurde und dann tropfte, eine Folge wie im Zeitraffer.
    »Elena, ich hab dir doch gesagt, man sieht nur ein Foto«, flehte Marcus. »Du hättest ihn nicht...«
    »Sag mir nicht >hätte
    Sie drehte sich um, stakste durchs Zimmer, riss die Tür auf und verschwand. Matty wusste nicht recht, ob ihr Wanken vom Alkohol herrührte oder daher, dass sie nur einen Schuh trug. Marcus setzte sich von der Heizung auf die Kante des ungemachten Betts und wischte sich mit der Überdecke abwesend über die Wange. Zum ersten Mal schien er das Chaos zu bemerken.
    »Wollen Sie, dass ich ihr nachgehe, nach ihr sehe?«
    »Nein«, sagte Marcus, »sie ist...«
    »Also, bei der Gerichtsmedizin habe ich noch einen gut, ich könnte bestimmt, wenn sie wirklich ...«
    »Tun Sie das nicht«, sagte Marcus mit jähem Nachdruck. »Sie kennen sie nicht, sie braucht nicht, sie ... Lassen Sie's einfach. Bitte. Danke.«
    »Kein Problem.«
    »Sie meinte, wir sollten gleich noch eins machen.« Er zupfte am Kunstpelz. Und nach kurzem Zögern: »Verrückt, oder?«
     
    Das Tor zu den Katakomben war überraschend popelig für ein derart bekanntes Gefängnis: eine kleine, klapprige Rollladentür in einer Hinterhofgasse in Chinatown. Drinnen wahrten all die bürokratischen Stationen auf dem Weg zu den Zellen diese schäbigen Proportionen: Waffenspind für die Polizisten, Aufnahme, Fingerabdrücke, Fotos, ärztliche Befragung und schließlich Leibesvisitation, jede Etappe von ihrer eigenen bescheidenen Maschendrahtwand begrenzt, ihrer eigenen niedrigen, von Lüftungsschächten bedrängten Decke. Diese riesige Einrichtung war, soweit Eric sehen konnte, ein beklemmendes Geflecht aus Treppen und kurzen Gängen auf diversen Stockwerken, ein lebensgroßes Spielbrett. Er war seit

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