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Cash

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Titel: Cash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Price
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einer halben Stunde hier, Schritt für Schritt begleitet von den beiden Detectives, die ihn die paar Blocks von der Wache hergebracht hatten, und er hatte noch keinen einzigen Gefangenen zu Gesicht bekommen. Diese Beamten, die ihn auf dem Weg hierher höflich distanziert und gleichmütig behandelt hatten, waren, sobald sie das Gefängnistor passiert hatten, immer nervöser geworden, nervöser als er; wahrscheinlich, so vermutete er, weil sie fürchteten, wegen irgendwelcher Komplikationen hier stundenlang festzusitzen.
    Er war nicht besorgt, eher über die Maßen beschäftigt, mit sirrenden Fragmenten all des Gesagten und Ungesagten, von ihm, von den anderen; Getanem und Unterlassenem, von ihm, den anderen; und schließlich, wie wiederkehrende Fieberschübe, des Gesehenen.
     
    Matty betrat das Berkmann inmitten seines spätnachmittäglichen Sonnenbads und setzte sich an die leere Bar. Im Cafe war es so still wie in einer Bibliothek, von einer Mitarbeiterbesprechung abgesehen, bei der Harry Steele soeben seine leitenden Angestellten hinten auf einer Polsterbank instruierte. »Leider müssen wir uns heute über einen neuen Barkeeper Gedanken machen.«
    Es herrschte beklommenes Schweigen.
    »Ich weiß, es tut mir leid«, murmelte er, »aber ...«
    »Der schöne Dan?«, schlug schließlich einer vor.
    »Der Kellner?«, fragte Steele mit einem kleinen Lächeln. »Der will bestimmt hinten eine Windmaschine für seine Haare haben.«
    »Na, dann sollten wir uns den Engländer aus dem Le Zinc holen, der sieht aus, als hätte ihn ein Krokodil gebissen.«
    »Zu weit in die andere Richtung.«
    »Wie wär's mit dem Jungen, von dem ich dir erzählt habe, dem Mensakassierer von der NYU, der hat seine Hawaiian-Punch-Karaffe mit Wodka angereichert, die standen mit ihren Tabletts um den halben Block rum.«
    »Nein«, sagte Steele, »ich mag keine Trickser.«
    »Nie erwischt worden.«
    »Eben.«
    Da er sich nicht sicher war, ob Steele wusste, dass er auf ihn wartete, trat Matty kurz zur Seite, um Blickkontakt aufzunehmen; der Besitzer hob einen Finger, eine Minute noch, ohne ihn anzusehen.
    »Wisst ihr was?«, fragte eine der Oberkellnerinnen leise. »Ich glaube, ich kann gerade gar nicht drüber reden.«
    Die Runde verfiel erneut in Schweigen, und Steele nickte. »Nein, du hast recht.« Es folgte eine weitere nachdenkliche Pause, in der die Beteiligten vor sich hin nickten, an den Fingerknöcheln knabberten und in ihre Kaffeetassen starrten, bis Steele endlich sagte: »Na schön.« Als alle aufstanden und sich sammelten, blieb Steele mit glasigem Blick sitzen. »Lisa.« Er lächelte mit hochgezogenen Brauen und bedeutete seiner Angestellten, die mitten im Aufstehen verharrte, sich wieder zu setzen. »Warum hast du den Einzelgast vorgestern Morgen an den Tisch neben mich gesetzt?«, fragte er mit verzerrter Miene. »Das Restaurant war leer. Das war peinlich, zwei Männer allein so nah beieinander. Niemals setzt man Einzelgäste gleichen Geschlechts nebeneinander. Das ist wie eine Reklame für Einsamkeit. Wie ein schlechtes Hopper-Gemälde.«
    »Der Mann wollte einen Fensterplatz«, sagte sie.
    »Hast du mir zugehört?«
    Draußen zählte Matty vier Detectives beim Durchkämmen der Rivington Street. Drei weitere kamen mit wehenden Mantelschößen ins Cafe, nickten Matty zu, beäugten die Belegschaft und teilten gedanklich den Raum unter sich auf.
    Matty setzte sich auf die Polsterbank der Mitarbeiter und nahm von einem Abräumer nickend den French Press entgegen. Auf der anderen Seite waren mehr Tische mit Ermittlern und Angestellten besetzt als mit Kunden, die hohen Glaszylinder mit Brühkaffee schwebten durch den Raum wie Helikopter.
    »Schrecklich«, sagte Steele sachte. Die Tränensäcke unter seinen ruhelosen Augen sahen aus wie geformter Lehm. »Die Kundschaft heute bestand zur Hälfte aus Reportern.«
    »Haben Sie denen irgendwas erzählt, was Sie erst mir hätten sagen sollen?« Die beiden kannten sich seit Öffnung des Cafes vor acht Jahren, und Matty hatte einst dafür gesorgt, dass die Festnahme eines Kellners, der anderen Restaurants aus der Küche heraus Fleisch verkauft hatte, andernorts diskret über die Bühne gegangen war. »Haben Sie ihn überhaupt kennengelernt?«
    »Marcus?« Steele zuckte die Schultern. »Ehrlich gesagt habe ich ihn nur eingestellt, weil er vom Äußeren her passte.«
    »Hatte er Probleme mit irgendwem?«
    »Nach zwei Tagen?«
    »Wer kannte ihn am besten hier?«
    »Keine Ahnung.« Erneutes

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