Cash
Blut und ausgepumptem Magen, derart hingestreckt auf dem Rücken, mit Kanülen in beiden Armen, strahlte der Junge noch eine beleibte Sinnlichkeit aus; der verschleierte Blick zugleich leer und wachsam. Boulware sah ihre Ausweise und wandte wie beschämt den Blick ab. »Wie geht es Ike?« Seine Stimme klang metallisch verkatert.
»Ike?«, fragte Matty.
»Was ist letzte Nacht passiert?« Yolonda reckte das Kinn nach ihm. »Machen Sie Witze?«
Sie starrten ihn an, warteten. Er starrte zurück, als wäre die Frage vermint.
»Woran erinnern Sie sich?«, fragte Matty so gelassen wie möglich.
Boulware atmete langsam ein, atmete aus, schwieg.
»Schon gut«, sagte Yolonda zart und strich ihm eine Strähne aus der Stirn. »Aber reden Sie mit uns.«
»Wir waren fast bei meinem Haus, alle drei, sehr spät«, fing er an. »Und zwei Typen kommen aus dem Nichts, die müssen auf jemanden gelauert haben. Einer hatte eine Pistole und sagte so was wie: >Los, rüber damit<, und ich dachte, Scheiße ...«
Matty und Yolonda tauschten einen Blick, Matty gingen die Gedanken durch. »Dieser ältere Typ aus Ikes Restaurant, der mit uns zusammen war, mir fällt der Name nicht ein, ich glaube, der hat einfach gemacht, was die verlangt haben.« Boulware hielt inne. »Aber dann hat Ike, Ike bläht sich da plötzlich auf, der sagt zu dem Typen irgendwie >Heute nicht, mein Freund<. Oder keine Ahnung, so was in der Richtung von Verpisst euch ... Und dann ist er, glaube ich, dann ist er auf den Typen los.« Boulware schloss die Augen und kreuzte die Arme über der Brust, ein Pharao beim Nickerchen.
»Was meinen Sie mit >glauben<«, fragte Yolonda ruhig; Zorn stieg in ihr auf. Boulware spielte weiter Leiche, so lange, dass Matty ihm am liebsten die Kanülen aus den Armen gerissen hätte. »Sie müssen sich einige Fotos ansehen und sich mit einem Polizeizeichner zusammensetzen.« Yolonda funkelte Matty an. »Und zwar heute noch.«
»Ehrlich?« Boulware zuckte, öffnete die Augen. »Ich glaube, das kann ich nicht.«
»Wir bringen alles her.« Yolonda machte es ihm richtig schmackhaft. »Sie brauchen nicht mal aufzustehen.«
»Nein, das ist nicht...« Er reckte den Hals nach rechts und rollte die Augen aufwärts, als sehnte er sich nach einem Entkommen.
»Wo liegt das Problem, Steve?« Die angestaute Verzweiflung verlieh Mattys Ton etwas mehr Schärfe als sonst.
»Hören Sie. Letzte Nacht? Da habe ich ... ich war weggetreten. Ike und dieser andere Typ haben mich mehr oder weniger gehalten, aber als ich die Knarre sah? Da hab ich mich einfach hingeschmissen und, und da bin ich auch geblieben. Und habe die ganze Zeit die Augen nicht mehr aufgemacht.«
»Tot gestellt, hm?« Das schien Yolonda zu amüsieren.
»Ich will Ihnen nichts vormachen. Ich hatte Angst. Ich meine, ich war auch voll bis an die Kiemen, aber ich hatte echt eine Scheißangst.« Er sah sie an, wartete auf ein Zeichen des Mitgefühls. »Also habe ich die Saufnummer durchgezogen.«
»Die Saufnummer.«
»Ich habe nicht gespielt, das können die Ihnen hier bestätigen, aber manchmal, wenn ich den Kanal voll habe? Trete ich in eine Sphäre ein, in der ich mir einbilden kann, dass diese oder jene körperliche Verfassung stärker ausgeprägt ist, als sie tatsächlich ist, und ... das tritt dann auch ein. Und nicht nur mit dem Suff. Ich könnte mich, sagen wir mal, stärker machen, schneller, mir eine bessere Stimme geben, alles Mögliche.«
»Schon mal gedacht, Sie könnten fliegen?«, fragte Yolonda.
»Also, ich habe die Knarre gesehen, und diese Nummer hat einfach das Kommando übernommen, wie ein Überlebensreflex. Wer weiß, vielleicht hat es mir das Leben gerettet, aber ... ich meine, ich bin ja nicht stolz drauf oder so. Ich fühle mich nicht ... Scheiße, ich meine, selbst als die Bullen da waren, hing ich noch so in den Seilen, dass ich nicht reden konnte. Ich konnte nicht ...« Wieder sah er sie an, Verständnis heischend, einen Freibrief; bekam jedoch nur starre Blicke.
»Aber es war ganz sicher ein Raubüberfall«, sagte Matty. »Logisch, ja ...«
«Von zwei Männern.«
»Ja.« Dann: »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es zwei waren, vielleicht mehr, aber wie gesagt...«
«Sie hatten die Augen zu.«
»Na, an wie viele Stimmen können Sie sich denn erinnern?«
«Was ich gesagt habe. Ike und den Typen mit der Knarre.«
«Denken Sie noch mal nach.«
»Vielleicht sollten Sie die Augen schließen«, sagte Yolonda. »Sie wissen schon, um in Stimmung zu
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