Cash
der Junge.
»Wo soll's denn jetzt hingehen?«, fragte Lugo den Fahrer.
»Genau da hin.« Der Fahrer zeigte auf die Genossenschaftshäuser. »Wohnung von meinem Vater.«
»Tut uns einen Gefallen.« Lugo steckte sich eine Zigarette an; seine Hand zitterte immer noch. »Wenn ihr euch was ganz was Kleines gönnen wollt, ja? Dann bitte da oben.«
»Ja, findet Dad bestimmt geil«, sagte der Jüngere. »Ist schließlich auch Bulle.«
Sein Bruder sah ihn scharf an.
»Hier unten?«, fragte Daley.
»Genau hier unten«, krähte der Junge; der Fahrer kam jetzt aus seinem Tran und wurde ein wenig finster.
Daley las noch einmal den Ausweis. »Hm«, grunzte er und warf Lugo einen Blick zu.
Da die Vorhänge zurückgezogen und die Glastüren geöffnet waren, hatte Matty beim Betreten des Zimmers 1660 im Landsman diesmal eher das Gefühl, an die Kante eines Kliffs zu treten. Billy Marcus, zu einer Silhouette reduziert, saß draußen auf einem niedrigen Geländer mit dem Rücken zur Straße sechzehn Stockwerke unter ihm. Matty ging zu ihm hinaus.
»Derek Jeter hat Drohbriefe erhalten.« Marcus lehnte sich ein wenig zurück und wandte den Kopf, um das Treiben unten auf der Straße zu betrachten. »Das ist die Schlagzeile, die heutige Schlagzeile.«
»Verstehe«, murmelte Matty, griff beiläufig nach Marcus' Ellbogen und zog ihn sanft vom Geländer. Genaugenommen war es die gestrige Schlagzeile, aber das würde Matty ihm nicht erzählen. Matty bugsierte Marcus ins Zimmer zurück und schloss alle Terrassentüren.
»Wo ist Elena?«
»Weg.«
»Wohin?«
»Keine Ahnung.«
»Kommt sie zurück?«
»Glaub ich nicht.«
Im Durcheinander auf dem Fußboden waren keine ausdrücklich weiblichen Accessoires mehr zu finden.
»Ich hatte gehofft, sie hier anzutreffen.« Matty zog sich einen Stuhl heran.
»Wozu?«
»Ich habe Neuigkeiten.«
Als dem Mann die Gesichtszüge entgleisten, wusste Matty, dass er einen Fehler gemacht hatte: Neuigkeiten klang in Marcus' Ohren wahrscheinlich wie das kokette Vorspiel zur Verkündigung einer wundersamen Umkehr der Ereignisse, in der sich sein Sohn auf irgendeine Weise wieder eingekriegt oder endlich aufgehört hatte, Scheiße zu bauen und alle Leute zu verarschen.
»Wir mussten Eric Cash laufen lassen. Der Dritte im Bunde mit Ihrem Sohn, Steven Boulware? Ist zu sich gekommen und hat Cashs Version der Ereignisse alles in allem bestätigt.« Matty wartete eine Sekunde, um es sacken zu lassen. »Also haben wir unsere Zeugen noch mal befragt, und es hat sich herausgestellt, dass ihre Aussagen leider löchriger waren, als wir zunächst angenommen hatten.« Eine weitere Sekunde. »Ohne brauchbare Aussagen, ohne handfeste Beweise, ohne ...«
»Wer ist Eric Cash?«, fragte Marcus.
»Der Verdächtige«, sagte Matty ruhig, »den wir verhaftet hatten.«
«Okay.« Marcus nickte behutsam.
Matty sah auf seine Hände. »Verstehen Sie, wir mussten schnell reagieren, auf eine scheinbar glaubwürdige Aussage.«
«Nein, klar, das mussten Sie.«
»Aber wir sind schon wieder draußen und durchkämmen die Gegend nach weiteren möglichen Zeugen, der Tatwaffe, den ...«
Marcus nickte noch immer, als wollte er Matty demonstrieren, was für ein aufmerksamer Zuhörer er war.
»Darf ich offen mit Ihnen reden?«, fragte Matty. »Wir haben es verbockt. Wir haben einen ganzen Tag lang alles, was wir hatten, auf den Falschen gesetzt, und ... wir haben's verbockt. Aber wir legen jetzt einen Zahn zu und machen es wieder wett.«
»Gut«, sagte Marcus mit hohlem Nachdruck und streckte die Hand aus. »Danke.«
Sosehr er seit Betreten des Zimmers auf einen Wutausbruch gefasst gewesen war, betrübte ihn die völlige Begriffsstutzigkeit dieses Mannes. »Sind Sie sicher, dass Elena nicht zurückkommt?«
»Wer weiß, aber nein, ich nicht.«
»MrMarcus, ich habe nicht viel Zeit zur Verfügung, aber ...« - Matty beugte sich leicht zu ihm vor - »möchten Sie, dass ich bei Ihrer Frau ein gutes Wort für Sie einlege?«
»Es ist doch so.« Marcus wandte sich an den Raum. »Wenn sie klein sind, liebt man sie, ist stolz auf sie, und wenn sie größer werden, immer noch, aber es ist merkwürdig, wenn andere Leute, neue Leute, ihn sehen und denken, >Ach, ein junger Mann, ein junger Erwachsener, der das und das besonders gut kann<, und man sieht diese Anerkennung von anderen, diesen Respekt und die Ernsthaftigkeit, und man selber muss lachen und denkt, wie, was für ein junger Mann, das ist Ikey, was meint ihr, was der als Kind
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