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Cash

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Titel: Cash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Price
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erzählt habe und seinen Sohn, den ich damals vor der Verhaftung bewahrt habe? Das war Schwachsinn. Ich wusste längst, dass der Mann eine Schwäche für Nutten hat, alle wissen das, und mein Kontakt bei der Sitte war darauf vorbereitet, mir ein Zeichen zu geben für den Fall, dass sie ihn mal hochnehmen, weißt du, wieso? Weil ich außerdem wusste, wenn ich die Chance kriege, dem die Haxen zu retten, dreht sein Alter wahrscheinlich irgendwas, um mich in die Dubinskys zu bekommen.« Matty blieb stehen und beugte sich nach hinten, um zu sehen, wie der Junge die Geschichte aufnahm. »Ein Alptraum hier unten, Wohnraum.«
    Matty hatte ihm die Wahrheit als eine Art Trost geschenkt, weil der alte Mann da oben ihn derart vorgeführt hatte, aber Fenton Ma kochte offensichtlich noch und hatte kein Wort mitbekommen.
     
    Tagsüber hatte es einige Stunden heftig geregnet, und an diesem vierten Tag nach dem Mord wirkte der Schrein ganz daneben, durchtränkt und verkohlt, hämisch und leicht bedrohlich, als würde er sagen, das macht die Zeit mit uns, das wird aus uns wenige Stunden nach den Tränen und Blumen. Jemand hatte den Teddybären so platziert, dass es aussah, als würde er den ausgestopften Adler rammeln, die anderen Plüschtiere lagen auf der Seite wie ertrunkene Ratten, die Kleingeldgaben vor Lazarus und der Heiligen Barbara waren alle eingesackt, die Räucherstäbchen zu spurdünnen Häufchen und Aschekringeln reduziert worden. Vom Stahlrohr-Mobile, das zuvor an einem selbstgebastelten Fahnenmast gebaumelt hatte, war nur noch eine Röhre übrig, die in die Lücke einer heruntergezogenen Rolltür gerammt worden war und den Schrein von einem Berg Müllbeutel vor dem Sanaa trennte. Die einzige unangetastete Gabe war ein weißes T-Shirt mit Hells-Angels-Logo, frisch zusammengelegt auf dem Boden wie eine kalte Offerte der Rache.
    Von all den Bildern und Sprüchen, die an der Häuserwand klebten, schienen nur Ikes letzte Worte, heute nicht, mein freund, von Graffiti und den Elementen unberührt, so verwegen und unangetastet, als wären sie in den Stein gemeißelt.
    Heute nicht, mein Freund ... Jeder Fünfte oder Sechste nahm sich die Zeit, diese Worte zu lesen, einige schweigend - man konnte sehen, wie ihr Blick über die Buchstaben wanderte -, einige flüsterten sie, andere sprachen sie laut aus, kopfschüttelnd, mit geschürzten Lippen, erstaunt schmunzelnd, Was für ein Depp. Einige sagten es sogar direkt zu Eric, der am Rande des Schreins stand: Stimmt's, oder hab ich recht? Sie erzählten ihm auch noch anderes, zum Beispiel, wer es getan hatte: die albanische Mafia, die Triaden, die in Rikers stationierten Five Percenters, die in Brooklyn stationierten Dschihadisten, die Bullen, die Regierung; und warum: weil er die Dame eines Latin King gevögelt hatte, damit er nicht ausplauderte, was er über Cheney und die Trilaterale Kommission, die Illuminati, den Ku-Klux-Klan wusste, damit er Sputnik und Skeezix nicht auffliegen ließ, zwei Detectives aus Alphabet City, die ihn bei einem Drogendeal verbrannt hatten. All diese Informanten waren zappelig in den Beinen und huschig im Blick und sprachen ausdrücklich Eric an, weil er, obwohl er ihnen kaum folgen konnte, nicht wegging, aussah, als würde er zuhören, als wollte er es wirklich wissen.
    Heute nicht, mein Freund ...
    Glühende Verzweiflung erfüllte ihn, wenn er Ikes letzte Worte derart vorgetragen hörte, die Witze über mündlichen Selbstmord, Selbstmord per Deklamation, Selbstmord durch Bier; rasender Zorn, sich in diese Geschichte vertiefen zu müssen, er hatte nicht darum gebeten, sie war ihm von diesem naiven Arschloch aufgedrängt worden, der beschlossen hatte, sich diese Pointe zu geben, über die Eric gelacht hätte, hätte sie ihn nicht so gewaltsam sich selbst gegenübergestellt - sein Leben auf den Kopf gestellt.
    Unterm Strich wusste er eigentlich selbst nicht so genau, wieso er nicht jedenfalls so tat, als würde er helfen, und sei es nur, um sie alle loszuwerden ... Was er wusste, war Folgendes: Der Typ war tot, und es würde ihn weder zurückbringen noch ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn Eric niemanden gesehen und nichts gehört hatte. Und Folgendes wusste er: Nachdem die Schützen ihn in jener Nacht entzweigebrochen hatten, hatten ihm diese Arschlöcher im Vernehmungsraum den Rest gegeben, das letzte Fitzelchen Unschuld, Inspiration oder Optimismus, das nach all diesen Jahren noch an ihm geklebt hatte, abgepult, die letzten Reste der Hoffnung

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