Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cash

Cash

Titel: Cash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Price
Vom Netzwerk:
Matty klemmte sich das Telefon an die Schulter, holte einen aufrechten, halbvollen Becher Kaffee von gestern aus dem Papierkorb und trank ihn aus. »Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass bei Ihnen heute Abend eine Jugendschutzkontrolle steigt. Halten Sie Ausschau nach einer kleinen Latina, rote Strähnen, Augenbrauenpiercing, eher kompakt. Lassen Sie sich den Ausweis zeigen. Sagen Sie Clarence Bescheid und machen Sie mit ihm zusammen die Tür.«
    Durch die Pitt Street fuhr ein Auto mit derart potentem Stereo-Bass, dass die Bleistifte über die Schreibtischunterlage rollten.
    »Weiß nicht, wann genau, das ist ja keine Tischreservierung. Passen Sie einfach ein bisschen auf, okay? Und jetzt ... brauche ich Ihre Hilfe ...« Matty wollte ihn gerade wegen Eric Cash um Unterstützung bitten, als ein Stockwerk tiefer solches Getöse losbrach, dass er auflegen musste. Der Wachhabende bellte »Hey, stop!« und folgte jemandem, der die Treppe hinaufgepoltert kam. »Stehenbleiben, hab ich gesagt!« Matty sprang auf und wappnete sich, als die Tür zum Dienstraum an die Wand knallte und Billy Marcus hereinstürmte, mit pfeifendem Atem, starrem Blick und Alkoholfahne, und verkündete: »Ich weiß, wer's war«, bevor er im Fluge von hinten umgriffen wurde, beide Männer von der Wucht nach vorn geworfen wurden, Billy mit angelegten Armen aufs Gesicht fiel und aus der ungeschützten Nase Blut über den Boden spritzte, als der wütende, ächzende Koloss auf ihm landete.
     
    »Ich weiß, wer's war«, sagte Billy wieder, gequetscht und nasal diesmal auf einem zurückgekippten Stuhl am Behelfs-Esstisch mit Blick an die Decke, während Matty hinter ihm stand und ihm ein Knäuel Papiertücher an die Nase drückte. »Ich weiß, wer's war.«
    »Okay, schön, immer mit der Ruhe.« Von den morgendlichen Scotchdämpfen, die ihm ins Gesicht stiegen, flatterten Matty die Augenlider.
    »Okay, schön, immer mit der Ruhe«, äffte Marcus ihn nach, pfeifend wie ein Motorkühler.
    »Mr Marcus, haben Sie Asthma?«

    »Billy, ich heiße Billy, das habe ich Ihnen« - er unterbrach sich, um Luft zu holen - »letztes Mal schon gesagt. Ja, hab ich. Ein bisschen.«
    Matty nahm Billys Hand und legte sie auf das Papiertuchknäuel, ging zu einem der leeren Schreibtische und nahm den Inhalator aus dem Waschbeutel, den John Mullins in seiner untersten Schublade verwahrte. »Wissen Sie, wie man so was benutzt?« Schüttelte ihn, bevor er ihn ihm reichte.
    »Ja, danke.« Mit seiner freien Hand nahm er einen Zug.
    Als Matty Billy jetzt aus nächster Nähe betrachtete, wurde ihm bewusst, dass er trotz der vielen Begegnungen in den letzten Tagen Marcus' Gesicht nie richtig gesehen hatte. Seine Züge schienen zugleich halb ausgelöscht und stetig im Fluss, als hätte das Trauma ihn physisch wie psychisch verwischt, das Gesicht für gewöhnlich niemals so verschwiemelt oder ausgezehrt, der Teint niemals so bleich oder rot, die Augen niemals so trübe oder glühend, das Haar niemals so strähnig oder wild. Er wirkte älter und jünger, als er war, mit einer schlanken, geschmeidigen Figur, aber Matty hatte ihn mit der uralten Vorsicht eines Menschen gehen sehen, der im Dunkeln einen fremden Raum durchmisst. Was unterm Strich heißen sollte, dass Matty selbst aus großer Nähe und mit viel Konzentration nicht hätte sagen können, wie Billy Marcus aussah.
    Eins allerdings wusste er genau, nämlich dass dieser Mann noch dieselbe Kleidung trug wie vor drei Tagen. »Das soll weiß Gott keine Kritik sein, aber sind Sie betrunken?«
    Marcus überhörte die Frage, steckte eine Hand in die Hosentasche und holte eine zerkrumpelte Seite der aktuellen Post-Ausgabe heraus. »Bitteschön.« Er reichte sie Matty. Es war eine Seite aus dem Sportteil, ein Leitartikel über die Unreife des neuen Aufbauspielers bei den New York Knicks; dann sah er das Kugelschreibergekritzel am Rand: 22 Oliver dünn karamel hat rosa Samtrain st wash, niks schw. »Was ist das?«
    Marcus legte die flache Hand auf seine Brust und steckte dann den Kopf zwischen die Knie. »Was ist das?«
    Marcus richtete sich wieder auf und blickte an die Decke. »Ich war« - holte Luft - »ich war an einem Zeitungskiosk, und da ist diese Zeitung, die Titelseite. Wenn Sie sie gesehen haben, da ist das Haus in der Eldridge, mit den Blumen und allem - das Bild da, auf Ihrem Schreibtisch.« Er sprach jetzt mit zähneklappernder Rasanz, als wäre es eiskalt im Zimmer. »Und neben mir steht dieses Mädchen, Latina, und sie

Weitere Kostenlose Bücher