Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cash

Cash

Titel: Cash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Price
Vom Netzwerk:
und Illusion welch amorpher Sehnsucht auch immer, zu glänzen, jemand zu sein, aus ihm herausgezogen. Er hatte ohnehin schon schwer auf der Kippe gestanden, und jetzt, und jetzt sagte er einfach Nein. Er wollte einfach nicht mehr mitmachen, um weiterzumachen. Er wollte nicht mehr zerbrechen. Seine Verweigerung kam vielleicht im allerschlimmsten Moment, aber bitte. »Feigling.«
    Eric hob den Kopf und erblickte einen verschwiemelten mittelalten Mann, der auf der anderen Seite des Laternenscheins stand. »Du feige Sau.«
    Es war Ikes Vater, wer sollte es sonst sein, der dort krummhalsig in den Schreinhaufen starrte wie in ein Lagerfeuer. Gebannt trat Eric auf ihn zu - um zu erklären, sich zu rechtfertigen.
    »Du Dreckstück.«
    Und dann blieb er stehen, wich zurück; der Mann nahm ihn gar nicht wahr, er sprach mit sich selbst.
    Ein storchendürrer Spinner im selbstgenähten Burnus kam aus dem Dunkel mit einem Einkaufswagen am Schrein vorbeigerast. »Heute nicht, mein Freund. Doch heute Nacht, du blöder Wichser, kleiner Versprecher und schon geht das Schiff unter, zu spät.« Und mähte Eric um ein Haar nieder.
     
    *
     
    Nachdem es die dunkle, dünne Mixologin aus dem No Name in der vergangenen Nacht wieder fertiggebracht hatte, den gesamten Akt hindurch zu weinen, gekrönt diesmal allerdings von anschließendem, durch Schluckaufschluchzer unterbrochenem Heulen: »Nicht persönlich gemeint, hat nichts mit dir zu tun«, saß Matty am Sonntagmorgen als Erster im Dienstraum, wo das Geläut konkurrierender Kirchenglocken - spanisch-katholischer von der Pitt Street, schwarz-episkopaler von der Henry - die über dem Meer verlassener, vollgepackter Schreibtische schwebenden Staubpartikel aufstörte. Er saß in der Stille, die Hände vor sich verschränkt, und sah auf die Titelseite der Post hinunter. Auf dem Foto unter dem Titelzug legte ein leicht zerbeulter Steven Boulware feierlich ein Blumengesteck vor dem zunehmend verwahrlosten Spontan-Schrein in der Eldridge Street nieder - der Titel: Dem Tod entronnen, Gedenken an einen Freund. Die Schlagzeile jedoch war einem Skandal beim Stadtreinigungsbetrieb gewidmet, der Marcus-Mord war auf Seite fünf verbannt, wo praktisch nichts darüber stand.
    Einschlafen lassen. Fünf Tage nach dem Mord hatte Matty null: keine Spur und keine echte Unterstützung außer Yolonda, Iacone und Mullins, vor allem Yolonda, denn sie war ihm noch was schuldig, nachdem er ihr im Jahr zuvor bei einem ihrer hoffnungslosen Einschlaf-Morde die Stange gehalten hatte. Noch zwei Tage bis zum zweiten Angriff, doch schon jetzt kam der ihm vor wie eine Abschiedsgala, ja angesichts der üblen Schwingungen im Hauptquartier keimte in ihm der Verdacht, dass es so weit nicht einmal kommen würde. Er ignorierte die Ablageberge auf seinem Schreibtisch, zog seinen Stapel mit Kieztätern heran, prüfte noch einmal diejenigen, die er als Steckbriefe rausgeschickt hatte, und überdachte jene, die er bisher verworfen hatte.
    Dann entdeckte er Minette Davidsons Telefonnummer in der Ecke seiner Schreibtischunterlage.
     
    »Sie hat sich geschnitten, als sie sich ein Sandwich machen wollte«, sagte Minette.
    »Ach ja?« Das nahm Matty ihr nicht ab. »Wurde sie genäht?«
    «Ein paar Stiche. Wir mussten knapp sechs Stunden auf den plastischen Chirurgen warten, aber irgendwann war's dann so weit.«
    «Gut.«
    »Sie hätten gestern Abend niemanden im Krankenhaus anrufen können, um das Ganze zu beschleunigen, oder? Sagen Sie bitte Nein, damit ich mich nicht ohrfeigen muss.«
    »Nein.«
    »Danke.«
    »Geht es ihr gut?«
    »Ja, einigermaßen.«
    »Gut.« Mattys Handy klingelte, sein Freund von der Sitte. »Und Mr Marcus weiß wahrscheinlich nichts davon?«
    »Mr Marcus?«, fragte sie. Matty hörte die Spitze in ihrem Ton. »Wie sollte er?«
    »Natürlich«, sagte er. Dann: »Hören Sie, ich weiß, es scheint Ihnen sehr viel länger, aber es sind erst achtundvierzig Stunden.« Überlegte, ob er die Leichenschauhäuser abfragen sollte.
    »Ich weiß.« Sie klang jetzt zu ausgelaugt, um sich wirklich noch darum zu scheren. »Ist gut.«
    »Ja, tut mir leid, dass ich Ihnen gestern Abend nicht weiterhelfen konnte.«
    »Danke. Vielen Dank.«
    »Und Sie sollen wissen, ich fühle mit Ihnen und Ihrer Familie.« Ein gewisses Zögern. »Danke.«
     
    Und Sie sollen wissen, ich fühle mit Ihnen und Ihrer Familie. Matty verzog das Gesicht, als er die Sitte zurückrief, was einen Anruf bei Harry Steele nach sich zog.
    »Professor Steele.«

Weitere Kostenlose Bücher